Kreuz und quer gedacht

Was uns aktuell so durch den Kopf geht ...

Kennen Sie das? Das Gedankenkarussel dreht so vor sich hin um dann ganz plötzlich bei einem Satz, einem Thema oder einem Gedankenfetzen innezuhalten. Wenn wir uns die Zeit nehmen und an diesem Punkt anknüpfen, kommen manchmal ganz wunderbare Erinnerungen, energiegeladene Visionen oder auch leise Melancholie daraus hervor.

 

Wir möchten Sie gern an dem, was uns so KREUZ UND QUER GEDACHT durch den Kopf geht, teilhaben lassen.

Gipfelstunden

„Das Jahr steht auf der Höhe, die große Waage ruht.“, – so singen wir in diesen Tagen rund um die Sommersonnenwende am 21. Juni. Diese Zeile gehört zu einem Kirchenlied, das zum ersten Mal 1978 veröffentlicht wurde. Es stammt aus der Feder des evangelischen Pfarrers Detlev Block. Überschrieben hat er es mit dem Titel: „Ein Lied zum Mittsommer“.

Wenn wir Mittsommer hören, dann denken wir vielleicht an ein ausgelassenes Feiern, so wie es bei unseren skandinavischen Nachbarn der Brauch ist. Um so überraschender ist es, dass dieses Lied mit dem Bild der ruhenden Waage von Still-Stehen und Zur-Ruhe-Kommen erzählt. Es geht um das Innehalten am Höhepunkt des Jahres.

Wer schon mal einen Berg bestiegen hat, der kann nachempfinden, wie es sich anfühlt, wenn man oben auf dem Gipfel steht. Die Anstrengung des Aufstiegs ist geschafft und nun gilt es, sich niederzulassen, den Blick in die Weite schweifen zu lassen und die Stille zu spüren. Bevor es Schritt für Schritt wieder abwärts in Tal geht, erstmal zur Ruhe kommen und einen Moment lang einfach nur da sein.

Aus dem Abstand der Höhe betrachtet, erkennt man die Steine, Wurzeln, Pfützen und Hindernisse nicht mehr, die den Weg so mühsam gemacht haben. Von hier oben sieht man die gesamte lange Strecke, die man geschafft hat. Und das macht stolz und glücklich. Vielleicht entdeckt man aber auch, wo man falsch abgebogen und einen Umweg gegangen ist oder welche schönen Überraschungen am Wegesrand unter der Mühe des Aufstiegs gar nicht wahrgenommen wurden.

Der Blick vom Gipfel schafft aber auch Sicht auf den bevorstehenden Abstieg: Gibt es noch andere Routen, die sich für den Rückweg anbieten, – vielleicht angenehmer, spannender oder weniger gefährlich? An welchen Stellen könnte es sich lohnen, etwas zu verweilen? Wo lockt mich meine Neugierde hin?

Eine solche Gipfel-Sicht schafft Orientierung und Klärung. Kopf und Seele werden freigepustet und ein innerer Friede stellt sich ein. Die Waagschalen zwischen Aufstieg und Abstieg haben ihre Balance gefunden und sind zu Ruhe gekommen.

Wenn das Jahr in den letzten Juni-Tagen seinen Höhepunkt erreicht hat, könnten wir dies zum Anlass nehmen, auch einmal innezuhalten und mit einem wertschätzenden Blick zurückzuschauen auf die erste Jahreshälfte: Was ist gelungen? Was erfüllt mich mit Freude und Glück? Und was ist noch offengeblieben und möchte zu Ende gebracht werden?

Und gleichzeitig dürfen wir den Blick nach vorne richten: Was möchte ich in der zweiten Jahreshälfte noch anpacken? Wofür und für wen möchte ich mir Zeit nehmen? Und was möchte ich ändern oder los-lassen?

Ich glaube, es lohnt sich, wenn wir uns in diesen Tagen solchen Fragen einmal in Ruhe zuwenden: bei einem Spaziergang, in einer kleinen Auszeit an einem stillen Ort, allein – mit den eigenen Gedanken oder auch im Gespräch mit einem Freund oder dem Partner, vielleicht auch im Zwiegespräch mit Gott.

„Das Jahr steht auf der Höhe, die große Waage ruht. Nun schenk uns deine Nähe und mach die Mitte gut.“

Ich wünsche uns in diesen Tagen die Erfahrung, dass wir in einer guten Mitte zur Ruhe kommen können und uns dabei von Gott begleitet wissen.

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Ganz der Papa – ganz die Mama …

Wer Vater oder Mutter ist, kennt wahrscheinlich die Begegnungen, bei denen jemand beim Anblick der Kinder sagt: „Ganz der Papa!“ – oder: „Da ist aber jemand der Mama wie aus dem Gesicht geschnitten.“ Vielleicht haben Sie auch schon mal gehört, wie das jemand über Sie selbst gesagt hat. Und je nachdem, wie das Verhältnis des Kindes zu seinen Eltern ist, kann eine solche Zuschreibung schmeicheln und Stolz hervorrufen, oder aber auch Empörung und Widerspruch auslösen.

Der Mai ist ein Monat, in dem wir besonders an unsere Eltern denken: Am Muttertag, der in Deutschland als eingetragener Feiertag begangen wird, und am Vatertag – eigentlich Christi Himmelfahrt – , der einen besonderen Fokus auf die Väter legt, auch weil wir an diesem Tag der Heimkehr Jesu zu seinem Vater in den Himmel gedenken.

Egal, wie man zu diesen Gedenktagen stehen mag, – ich will sie hier einmal nutzen, um unsere eigenen Eltern-Kind-Beziehungen in Verbindung zu setzen mit dem Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Gott und Jesus.

Was wissen wir eigentlich über das Verhältnis zwischen Jesus und seinem Vater? – Und gemeint ist hier nicht sein irdischer Vater Josef, sondern sein himmlischer (Gott-)Vater.

Ein erster Hinweis findet sich im Anfang der Evangelien von Markus, Matthäus und Lukas: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ Mit diesem starken und beeindruckenden väterlichen Zuspruch beginnt Jesu Wirken. Und auf dem Berg Tabor wird diese Zusage Gottes noch einmal bekräftigt mit den Worten: „Dies ist mein auserwählter Sohn. Auf ihn sollt ihr hören.“

„Abba“, – so nannte Jesus wohl seinen Vater in seiner aramäischen Muttersprache. „Abba“ heißt soviel wie „lieber Vater“ – wir würden es heute vielleicht mit „Papa“ übersetzen. Und wie liebevoll dieser Vater in den Augen Jesu ist, schildert er sehr berührend im Gleichnis vom barmherzigen Vater, der seinen abtrünnigen Sohn ohne Vorwürfe und Schelte bedingungslos in seine Arme schließt (Lk 15,11-32).

Alle Kinder dieser Welt, die mit ihren Eltern solche „Abba-Erfahrungen“ machen konnten, dürfen sich glücklich schätzen. Aber nicht immer gelingt eine solch warmherzige Eltern-Kind-Beziehung. Es gibt auch viele tragische Eltern-Kind-Geschichten. Wo Kinder sich vernachlässigt, allein gelassen und verletzt fühlen. Und auch wo sich Eltern von ihren Kindern verletzt fühlen.

Auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass wir es – egal ob aus der Rolle als Kind oder als Mutter und Vater – eigentlich nur gut mit uns meinen, misslingt manche Beziehung. Wir schaffen das nicht immer mit dem gegenseitigen Lieben und Anerkennen. Eltern sind auch nur Menschen, sie bekommen keine Gebrauchsanweisung dafür, wie das geht: Vater sein. Mutter sein. Vor allen Dingen fällt es dann schwer, wenn man das selber im Elternhaus vermisst hat…

In menschlichen Beziehungen bleibt immer etwas offen und ungelebt. Und wenn ein Elternteil stirbt, dann bleibt am Ende doch immer noch etwas Ungesagtes oder Ungetanes übrig: eine Frage, die ich nicht mehr stellen konnte. Ein Verzeihen, das nicht mehr möglich war. Die Erfüllung eines Wunsches, dem nun niemals mehr Genüge geleistet werden kann … Am Ende bleibt die Sehnsucht, dass diese Eltern-Kind-Geschichte doch heil und gut werden soll.

Ich glaube, dass auch Jesus in seiner irdischen Zeit eine solche Sehnsucht in sich getragen hat. Immer wieder lesen wir in den Evangelien, wie Jesus im Gebet die Verbindung zu seinem Vater sucht. Wie er sich nach dem Eins-Sein mit ihm sehnt. Und ich glaube, dass sich diese Sehnsucht mit seiner Himmelfahrt erfüllt: Er kehrt heim zu seinem Vater.

Und deshalb macht mir dieses Fest Hoffnung, wenn ich an die ungelösten und offenen Sehnsüchte denke, die in so vielen Eltern-Kind-Beziehungen unerfüllt bleiben.

Für mich heißt das: Was mich umtreibt, was mich beschäftigt in meinem Leben, womit ich nicht fertig bin, womit ich mich auch nicht abfinden will – das kann Erfüllung finden. Und wird in Gott Erfüllung finden. Alle offenen Fragen und Lebensthemen. Und viele meiner offenen Fragen und Lebensthemen hängen eben mit meinen Eltern zusammen, mit meiner Mutter und meinem Vater.

Aber Gott-sei-Dank gibt es auch unzählige Situationen in meinem Leben, in denen ich mit meinen Eltern sehr erfüllte Momente erleben durfte. In denen ich erfahren durfte, was es heißt, wenn jemand zu mir sagt: Du bist mein geliebtes Kind. An dir habe ich Wohlgefallen gefunden.

Ganz eindrucksvoll hat der Liedermacher Reinhard Mey eine solch geglückte „Abba-Erfahrung“ in seinem Lied „Zeugnistag“ geschildert.

Vielleicht mögen Sie es sich ja mal anhören:

https://www.youtube.com/watch?v=fK3vSkYzpTY

 

Ich wünsche Ihnen allen einen segensreichen Mutter- und Vatertag.

Und bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Vom Wirr-Warr der Gefühle

Ostern steht vor der Tür.

Die Wochen der Fastenzeit münden nun in die Karwoche und dann in das Osterfest.

In den Gottesdiensten dieser heiligen Woche, die ja eigentlich ein einziger großer Gottesdienst sind, feiern wir all das, was menschliches Leben ausmachen kann:

Am Palmsonntag feiern wir mit dem Hosanna-Ruf unsere Begeisterung und Leidenschaft, zu der wir fähig sind, wenn uns etwas oder jemand in Brand setzt. Am Gründonnerstag setzen wir mit der Mahlgemeinschaft ein Zeichen für all die Gemeinschaften, die uns im Leben tragen, bei denen wir das Gefühl von Verbundensein und Dazugehören empfinden. Am Karfreitag dürfen im Leiden und Sterben Jesu auch unsere eigenen Schmerzen, unsere Abschiede und Abbrüche Raum bekommen. Der Karsamstag ist der stille Tag, an dem wir unseren Hoffnungslosigkeiten, unserer Leere und Hilflosigkeit nachspüren. Und schließlich der Ostersonntag, der für die Momente grenzenloser Freude und unendlichen Glücks steht. Ja, in diesen wenigen Tagen dürfen wir Gott die Höhen und Tiefen unserer ganzen Lebenserfahrung hinhalten.

Als Kind haben mich diese liturgischen Höhepunkte der Karwoche immer stark beeindruckt. Die kraftvollen Rituale und starken Gesten der katholischen Liturgie haben mich in diesen Tagen emotional mitgenommen wie bei einem gut inszenierten Film. Ich konnte den Stimmungen, die die heilige Woche in sich vereint, nachgehen und sie spürbar miterleben.

Ich habe am Karfreitag in den traurigen Liedern, die ohne Orgel gesungen wurden, eine eigene Traurigkeit wahrgenommen. Der Karsamstag hatte immer etwas Rätselhaftes, eine eigentümliche Leere in sich. Und spätestens wenn am Ostersonntag zum Gloria wieder das laute Orgelbrausen ertönte und die Lichter erstrahlten, wurde mir ganz feierlich und glücklich zumute.

Heute ist das nicht mehr so.

Heute merke ich, dass ich zwar am Gründonnerstag und Karfreitag über den Grund dieser Tage nachdenken und meditieren kann, aber sie berühren mich emotional schon lange nicht mehr so wie früher. Und manchmal schäme ich mich ein wenig, wenn mir am Osterfest die Osterfreude nicht aus jedem Knopfloch blitzt. – Woran liegt das?

Vielleicht, weil ich im Laufe meines Lebens gelernt habe, dass sich Trauer und Freude nicht auf Knopfdruck einstellen lassen.

Karfreitagserfahrungen und österliche Freude lassen sich nicht über den Kalender planen, sondern treffen uns meistens unerwartet und unvorbereitet. Dann, wenn wir am wenigsten damit rechnen. Weil Gott eben ein Gott ist, der sich nicht berechnen lässt.

Ich schaue in die Bibel, ins Matthäus-Evangelium, das uns in diesem Jahr die Osterbotschaft verkündet. Welche Gefühle erleben die beiden Frauen – Maria aus Magdala und die andere Maria, als sie da frühmorgens am leeren Grab den Engel sehen, der ihnen sagt, dass Jesus auferstanden ist? „Sogleich verließen sie das Grab voll Furcht und großer Freude …“ , – so heißt es da im 28. Kapitel.

Furcht und Freude – was für eine eigenartige Mischung. Und doch kann ich dieses Stimmungschaos gut nachvollziehen. Ostern steht eben nicht immer gleich die pure ungetrübte Freude parat. Auch an Ostern rücken uns Sorgen, Fragen, Trauer und Schmerz manchmal ganz schön nah auf die Pelle.

Und doch: Ich brauche diese Tage, diese heilige Woche unbedingt.

Ich bin froh, sie Jahr für Jahr in ihren unterschiedlichsten Facetten durchwandern zu können.

Weil sie mir zeigt: Alles hat bei Gott seinen Platz: die Niedergeschlagenheit, die Wut, die Scham, die Traurigkeit, aber auch der Trost, die Zuversicht, die Hoffnung und das Glück.

Und am Ende – so hoffe ich ganz tief in mir – wird die österliche Freude siegen, – auch wenn es vielleicht nicht pünktlich am 09. April 2023 sein wird.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gesegnete Kar- und Ostertage, – egal wie Sie dann gestimmt sind.

 

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Frühling lässt sein blaues Band

Es ist Mitte Februar. Ich sitze an meinem Schreibtisch und schreibe den Kreuz-und-Quer-gedacht-Artikel für März. Sonnenstrahlen blinzeln durch mein Fenster. Es ist endlich ein heller Tag nach wochenlangem schmuddeligen Grau-in-Grau.

Am Mittag habe ich Kraniche gesehen und gehört, wie sie am Himmel dem Frühling entgegen geschrien haben. Und die Luft hat anderes gerochen als in den letzten Wintertagen. Mir fallen die alten und vertrauten Verse von Eduard Möricke ein:

 

Frühling lässt sein blaues Band

wieder wehen durch die Lüfte.

Süße, wohlbekannte Düfte

Streifen ahnungsvoll das Land.

Veilchen träumen schon,

wollen balde kommen.

Horch, von fern ein leiser Harfenton.

Frühling, ja, du bist´s!. Dich hab ich vernommen!

 

Frühling – eine verheißungsvolle Jahreszeit.

Die Tage werden länger, die Vögel zwitschern schon ganz in der Frühe ihre Melodien in die verschlafene Welt hinein, Knospen und Blüten sprießen in Beeten und an Wiesenrändern und die Landwirte bringen ihre Tiere wieder auf die Weiden.

Eine Zeit voller Neuaufbrüche und Hoffnungen!

Am Tag des Frühlingsanfangs begehen wir die Tag- und Nachtgleiche. Zweimal im Jahr – am 20. März und am 22. September sind Tag und Nacht gleich lang.

Ab dem Datum der Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr werden die Tage länger sein als die Nächte. Eine Wende-Zeit also.

Vielleicht spüren wir solche Wendungen nicht nur in der Natur, sondern auch in unserem Leben: manche sind entscheidend und mächtig, andere klein und unscheinbar, aber dennoch wichtig.

Und vielleicht spüren wir in diesen Wochen noch eine ganz besondere Wendung:

Die Zu-Wendung Gottes zu uns. Gottes Zuwendungen sind im Frühling besonders reichhaltig zu spüren. Durch die Frühlingswärme, das Frühlingslicht, die Frühlingstöne und das Erwachen der frühlingshaften Natur gehen wir neuem Vertrauen, neuem Leben und neuer Zuversicht entgegen.

Vielleicht spüren wir etwas von der Zuwendung unseres guten Gottes, wenn er uns durch die Karfreitage unseres Lebens hindurch einem neuen Ostermorgen entgegenführt; wenn er die schweren Steine von unseren Herzen wegrollt, damit das Frühlingslicht sich in uns ausbreiten kann.

Ja, – so kann unsereiner gut reden und philosophieren.

Aber wie ist es mit den Menschen in den Kriegsregionen, in den Katastrophengebieten, in den Armuts- und Elendsvierteln? Können sie auch die Zuwendung Gottes spüren? Erleben sie nicht vielmehr seine Abwendung? Müssten sie nicht wie Jesus am Kreuz rufen: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Erleben sie nicht einen endlosen Karfreitag, – aussichtslos und hoffnungslos?

Wie können wir da so leichtfertig von Frühlingsfreude reden und unser Osterhalleluja anstimmen? Wie können wir glauben, dass am Ende alles gut wird angesichts der täglichen Nachrichten von unsäglichem Leid in dieser Welt?

Mir hilft es, mit anderen Menschen darüber zu reden. Z.B. wenn mir eine Freundin erzählt, wie für sie nach einer Krebsdiagnose die Welt zusammenbrach. Das ist nun 18 Jahre her. Und heute sitzt sie mit mir auf der Bank in der warmen Frühlingssonne und sagt: „Wie schön doch das Leben ist!“

Mir helfen die uralten Psalmen, deren Worte zeigen, dass auch Klage und Trauer ins Recht gesetzt werden dürfen und dass es daneben trotzdem auch Freude und Trost geben darf.

Mir hilft es zu wissen, dass auch Jesus Angst und Gottverlassenheit spüren musste, aber dass er am Ende das alles doch in die Hände seines Vaters legen konnte.

Mir hilft die Zusage des Auferstandenen, die er seinen Jüngern und uns versprochen hat:

Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Auch wenn wir es in manchen Situationen unseres Lebens nicht glauben können, – am Ende haben nicht Leid und Tod das letzte Wort, sondern Gott. Und er ist und bleibt ein Gott des Lebens und der Liebe.

So wie es der amerikanische Staatsmann, Buchdrucker und Erfinder des Blitzableiters, Benjamin Franklin, in seiner Grabinschrift bekannt hat, – ein tiefsinniges heiteres Bild für die Hoffnung auf die Auferstehung:

 

Hier ruht:

Speise für die Würmer

der Körper von

Benjamin Franklin

Buchdrucker

gleich dem Deckel eines alten Buches

aus welchem die Blätter gerissen

dessen Einband abgebraucht ist.

Aber das Werk wird nicht verloren sein

denn es wird wieder erscheinen, so hofft er

in einer neuen Auflage

durchgesehen und verbessert

vom

Verfasser.

 

Fröhliche Ostern und bleiben Sie behütet!

Gisela Fritsche

Die Sehnsucht, dass es anders werden könnte

Es gibt wohl kaum einen Monat, der so gegensätzlich ist wie der Februar.

Die ersten Wochen sind geprägt vom Karneval: ausgelassenes Feiern, bunte Kostüme, Straßenumzüge, Schunkeln und Tanzen, Kamelle und Konfetti …

Und dann kommt mit dem Aschermittwoch die schlagartige Kehrtwende und damit sieben Wochen Verzicht, Stille, Schlichtheit und Einkehr.

Der radikale Umbruch vom Karnevalsdienstag auf den Aschermittwoch macht es eindrücklich deutlich: Alles hat seine Zeit. – So steht es schon im Buch Kohelet. Es gibt eine Zeit für Spaß und Vergnügen und es gibt eine Zeit für die Nachdenklichkeit, für Rückzug und Besinnung.

Obwohl Beides auf den ersten Blick nicht zueinander zu passen scheint, gehört es doch zusammen wie die zwei Seiten einer Medaille. Und vielleicht haben Karneval und Fastenzeit auf ihre je eigene Weise das gleiche Anliegen: nämlich den Alltag zu durchbrechen, die Dinge auf den Kopf zu stellen und zu zeigen: Es geht auch anders.

Wenn in den Karnevalstagen die Narren vielerorts die Rathausschlüssel übernehmen, dann wollen sie damit ausdrücken, dass auch die Kleinen mal das Sagen haben dürfen, dass sie die Weltordnung umkehren. Natürlich ist das nur ein oberflächlicher Umbruch für ein paar Tage, bevor wieder alles zur guten alten Ordnung zurückkehren wird.

Aber trotzdem öffnet uns diese Zeit, in der die Welt auf dem Kopf steht, ein kleines Fenster und hält uns den Spiegel vor, dass es auch anders gehen könnte und wir uns nicht mit den gewohnten Bedingungen zufriedengeben müssen. Und diese Einsicht hat auch etwas mit unserem Glauben zu tun. Denn es geht um nichts anderes als um eine neue Weltordnung, wenn Maria im Magnifikat sagt: Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.

So gesehen haben die Faschingstage etwas mit der Fastenzeit gemeinsam: nämlich die Sehnsucht, dass es anders werden könnte.

Auch die Fastenzeit hält uns einen Spiegel vor und lädt uns ein, dass etwas anders werden kann in unserem Leben. Alte Gewohnheiten, die uns und anderen nicht guttun, können überdacht und verändert werden. Festgefahrene Wege, die uns immer die gleichen Schleifen drehen lassen und in immer dieselben Sackgassen führen, können verlassen werden, um neue Pfade zu erkunden und auszuprobieren.

Und vielleicht werden wir ja im Anders-Werden viel eher wir selbst.

Also, – nutzen wir die Zeiten der närrischen Tage und der stillen Wochen, um in den Spiegel zu schauen, was wir gerne mal anders machen würden.

Und vielleicht sehen wir ja dann, dass Einer mit uns in diesen Spiegel schaut. Und dass er uns samt all unserer Macken und Kanten unendlich liebevoll und gütig anschaut.

Vielleicht hören wir ihn sagen: So, – wie du bist ist es gut. Du bist mein geliebtes Kind.

Ich wünsche uns allen eine fröhliche Karnevalszeit und eine reiche und gesegnete Fastenzeit.

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Von Anfängen und neuen Chancen

Der Jahreswechsel ist schon ein merkwürdiger Moment: Einerseits läuft das Leben einfach weiter. Es ist ja nicht so, dass am 01.01. um 0:00 Uhr die Welt anhält und alles auf „reset“ gestellt wird. Andererseits liegt in diesen ersten Minuten des neuen Jahres doch ein eigenartiger Hauch von Neubeginn in der Luft und in unseren Herzen. Die guten Vorsätze, die in diesen Tagen beschlossen werden zeigen deutlich, wie sehr wir uns danach sehnen, dass wir hier und da noch mal von vorn beginnen können und eine neue Chance bekommen.

Neuanfänge haben mich schon immer fasziniert: die ersten Seiten, mit denen mich ein gutes Buch erwartet; ein stiller Sonnenaufgang, der einen neuen Tag verheißt; der erste unbeholfene Satz nach langem Schweigen …

Wer schon mal ein neugeborenes Baby in seinen Armen gehalten hat, weiß, wieviel Macht ein solcher Neuanfang über uns ausüben kann: Darin liegt unendlich viel Hoffnung, Unverbrauchtheit, Mut und die übergroße Sehnsucht, dass alles so gut bleibt, wie es genau in diesem Moment ist. Aber viel zu oft erfüllt sich diese Hoffnung nicht. Der Glanz des Neuen nutzt sich schnell ab und die Reinheit und Vollkommenheit des Beginns weichen den Gebrauchsspuren des Alltags. Die Realität hat uns wieder geerdet, auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Vielleicht werden auch deshalb schon wenige Tage nach dem Jahreswechsel die guten Vorsätze wieder Bord geworfen.

Der Liedermacher Reinhard Mey hat das einmal sehr treffend beschrieben. In einem seiner Lieder singt er:

Kinder werden als Riesen geboren.
Doch mit jedem Tag, der dann erwacht,
geht ein Stück von ihrer Kraft verloren,
tun wir etwas, das sie kleiner macht.
Kinder versetzen solange Berge,
bis der Teufelskreis beginnt,
bis sie, wie wir erwachsene Zwerge,
endlich so klein wie wir Großen sind.

Kann es sein, dass wir mit den hoffnungsvollen Anfängen unseres Lebens manchmal genauso umgehen? Dass wir sie klein machen durch unsere Angst und die Niederlagen der Vergangenheit? Dass wir viel zu wenig Vertrauen in unsere neuen Möglichkeiten und die geschenkten Chancen investieren? Dass wir lieber zum grauen Einerlei zurückkehren, als den Glanz des Neubeginns zu beschützen und zu bewahren?

Ja, es ist schon so und vielleicht muss es so sein, dass irgendwann der Zauber des Anfangs verblasst und die Gewöhnung das Zepter übernimmt.

Und doch!, – ein Blick in die Bibel zeigt mir: Bei Gott ist immer ein neuer Anfang möglich. Nach der Sintflut schließt Gott mit Noah einen neuen Bund; Zachäus konnte sein Leben nach der Begegnung mit Jesus noch einmal neu beginnen; Petrus bekommt durch die dreifache Frage „Liebst du mich?“ die Chance, sein dreifaches Verleugnen wieder gut zu machen …

„Im Anfang war das Wort … und das Wort war Gott …“ – so heißt es im Johannes-Prolog (Joh 1,1). Gott ist ein Gott der Anfänge. Mit seinem Sohn Jesus Christus, der als Neugeborener in die Welt gekommen ist, hat er uns gezeigt, dass mit ihm jederzeit Neuanfänge möglich sind, wenn wir uns die Hoffnung und den Glauben daran bewahren.

Peter Kuzmic, ein evangelischer Theologe aus Slowenien sagt dazu: Hoffnung ist die Fähigkeit, die Musik der Zukunft zu hören.Glaube ist der Mut, in der Gegenwart danach zu tanzen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein hoffnungsvolles und glaubensstarkes Jahr 2023!

Ihr Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Solidarität ist das Gebot der Stunde!

Vor einiger Zeit unterhielt ich mich mit meinem Kollegen darüber, wie die „Jugend von heute“ tickt. Mein Gesprächspartner sagte mir, er habe dazu eine aktuelle Reportage gesehen. Darin hieß es: Während Menschen in unserem Alter (- ich bin jetzt 56 Jahre alt -) die Generation der Freiheit ist, (- man denke an die 60er/70er Jahre, an die Einführung der Antibaby-Pille, an den Mauerfall zwischen Ost- und Westdeutschland … -) , sind unsere Kinder die Generation der Solidarität.

Und ja: Solidarität ist heute wichtiger denn je. Denken wir nur an die letzten zwei Jahre. Das Corona-Virus forderte unsere Solidarität mit den vulnerablen Gruppen, – auch ihretwegen haben wir Kontakte vermieden, die Maskenpflicht eingehalten und auf viele kulturelle und private Anlässe verzichtet.

Der Krieg in der Ukraine fordert die Solidarität der NATO-Staaten mit Waffenlieferungen sowie finanzieller und humanitärer Hilfe.

Deutsche Stars wie z.B. Meret Becker demonstrieren ihre Solidarität mit den im Iran protestierenden Frauen, indem sie ihre Haare abschneiden.

Und letztlich fragt die Energiekrise unser aller Solidarität an, indem wir vor der Entscheidung stehen, wie warm (oder wie kalt) in diesem Winter unsere öffentlichen Versammlungsräume, unsere Arbeits- und auch privaten Wohnzimmer sein sollten.

Aber auch wenn wir uns im Solidarisch-Sein fast täglich üben, ist das so eine Sache mit der Solidarität: Erfahrungsgemäß hat sie nämlich keine lange Halbwertzeit!

So wurden schon bald nach Ausbruch der Pandemie die Vorsichtsmaßnahmen von immer mehr Menschen infrage gestellt. Die täglichen Berichte aus den Kriegsgebieten der Ukraine (und anderswo) verschwinden fast unbemerkt in der Flut von anderen Katastrophen. Und während sich im Iran Frauen unter Lebensgefahr gegen die Diktatur und Unterdrückung ihres Landes wehren, knickt unsere Nationalmannschaft und der DFB vor dem Säbelrasseln der FIFA ein und will keine sportlichen Nachteile riskieren.

Der Begriff „Solidarität“ kommt aus dem Lateinischen von „solidus“. Das heißt soviel wie „echt“, „fest“; – eben das Gegenteil von sprunghaft und „Heute-Hü-Morgen-Hott“. Solidarität hat auch etwas mit Verlässlichkeit und Treue zu tun.

In wenigen Tagen feiern wir Weihnachten: Gott kommt auf unsere Erde und wird Mensch. Das ist die größte Solidaritätsbekundung zu uns Menschen, die er jemals zeigen konnte. Und er geht noch weiter: er kommt in die Welt als kleines, schwaches Baby, – in einem kalten und dunklen Stall. Er wird hineingeboren in die „heilige“ Familie, die alles andere als heilig ist. Seine Eltern nicht verheiratet, der Vater ist noch nicht mal der leibliche Vater. Die Botschaft von seiner Geburt trifft als erstes auf die Hirten, – diese ruppigen Gestalten, die irgendwo da draußen leben. Er ist schon in seinen ersten Lebenstagen auf der Flucht vor seinen Neidern und Häschern.

Gott übt Solidarität …

  • … mit den Kleinsten und Schwächsten.
  • … mit denen, die im Kalten sitzen und die selbst an Weihnachten keine Chance haben, ihre   Heizkörper hoch zu regeln, damit es doch recht gemütlich wird.
  • … mit denen, die in queeren oder Patch-Work-Beziehungen leben und darunter zu leiden haben.
  • … mit denen, die draußen sind, die an den Rand gedrückt und übersehen werden.
  • … mit denen, die flüchten müssen vor Hass, Terror und Krieg.

Und Gottes Solidarität hat keine Halbwertzeit. „HEUTE ist euch der Retter geboren …“ – so heißt es im Weihnachtsevangelium nach Lukas. Da steht nicht: damals vor 2000 Jahren. Nein: HEUTE.

Seine Solidarität ist beständig. Sie gilt auch jetzt, – in diesen Weihnachtstagen und darüber hinaus. Auch an diesem Tag, in dieser Stunde, in genau diesem Augenblick!

Kein sprunghaftes Hü-und-Hott.

Und deshalb ist Weihnachten auch kein sentimentales Fest der Erinnerung an eine lang zurück liegende Zeit, sondern Weihnachten ist Gegenwart! Es ist das Fest der Solidarität Gottes mit uns Menschen im Hier und Jetzt. Es ist die Zusage seiner Solidarität auch zu mir, zu meiner Schwäche, zu meinen Brüchen und zu meiner Begrenztheit.

Wie wäre es, wenn wir uns von seiner Solidarität anstecken und entflammen lassen? Es müssen nicht immer die ganz großen Taten sein.

Ein Weihnachtsessen aus fair-gehandelten oder regionalen Produkten.

Ein oder zwei Geschenke weniger als sonst und stattdessen eine Spende an die örtliche Tafel.

Die Heizung zwei bis drei Grad runter regeln (es gibt ja Decken und dicke Socken) oder auf die sonst üblichen Lichterketten im Garten verzichten, damit die damit eingesparten Energieressourcen für diejenigen zur Verfügung stehen, die sie nötiger brauchen.

Ihnen wird sicher das passende einfallen!

Nur Weihnachten ohne Solidarität, das wäre eine Lüge.

 

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekantsreferentin

Dem November eine Chance geben

Liebe Besucherinnen und Besucher unserer Homepage,

der November ist für viele Menschen ein trauriger Monat. Die trüben, nebelverhangenen Tage, die frühe Dunkelheit, die grauen Farben in der Natur legen sich auch auf unsere Stimmung. Und es gibt keine Zeit sonst im Jahr, in der wir so nah in das Thema Sterben und Tod heranrücken wie im November.

Und dennoch mag ich diesen Monat. Ich erinnere mich gerne an die Zeit meiner Kindertage zurück, wenn wir mit der Familie am Allerheiligen- und Allerseelentag über den Friedhof gingen und die Gräber unserer Angehörigen besuchten. Wir haben diesen Friedhofsgang immer in die Stunden der Dämmerung gelegt und so wirkten die Grablichter, die an diesen Tagen unzählig auf den Gräbern leuchteten besonders schön. Meine Schwester und ich haben immer nach dem schönsten Grab Ausschau gehalten und es war uns ganz feierlich zumute, wenn wir bei der Oma und dem Großonkel am Grab das Streichholz anreißen und damit die rote Becherkerze entzünden durften. Die ganze Atmosphäre hatte etwas Rührendes und Heimeliges.

Der November war für uns auch immer der Monat, in dem wir als Familie näher zusammenrückten: lange Spieleabende, die ersten Weihnachtsgeschenke wurden gebastelt und die frisch gepflückten Äpfel vom Baum im Garten brutzelten im Ofen zu herrlich duftenden Bratäpfeln, gefüllt mit Marmelade und Rosinen.

So hat der November für mich bis heute etwas von Zur-Ruhe-Kommen, Heim-Kommen, Bei-Sich-Ankommen. Lautes wird Leise, die hellen und grellen Farben des Sommers werden sanfter und weicher und das aktive pulsierende Leben darf sich beruhigen. Aus Machen wird Träumen, aus Blühen und Sprühen wird stilles Werden und Warten, aus Festhalten wird Loslassen.
Deshalb ist dieser Monat für mich eine heilsame Zeit. Deshalb mag ich den November.

Sehr beeindruckend beschreibt Giannina Wedde dies in ihrem Gedicht „November“:

November,
du heilsame Zeit der Nachsicht.
Du Zeit, in der die Farben sterben dürfen,
nach dem letzten rauschenden Fest
aus Röte und Gold.
Du hast schon gewartet
hinter randvollen Körben,
zwischen Quitten, Birnen und Pilzen
und dem beglückenden Duft
fruchttragender Arbeit.
Du hast schon leise gerufen
nach den müden Händen,
die ausruhen wollen,
nach den schwer gewordenen Lidern
und den mit Erfahrung gesättigten Herzen.
Du hast deine Arme
um das alternde Jahr gelegt
und um alle Dinge,
für die es nun zu spät geworden ist.
In dir verläuft die Schwelle
zwischen Herbst und Winter,
auf die du uns setzt,
wie Vögel auf Zweige,
die bereit sind, ein Lied zu vergessen
und sich ein neues schenken zu lassen.

In diesem Sinne: Geben Sie dem November eine Chance!

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin