Kreuz und quer gedacht

Was uns aktuell so durch den Kopf geht ...

Kennt ihr das? Das Gedankenkarussel dreht so vor sich hin um dann ganz plötzlich bei einem Satz, einem Thema oder einem Gedankenfetzen innezuhalten. Wenn wir uns die Zeit nehmen und an diesem Punkt anknüpfen, kommen manchmal ganz wunderbare Erinnerungen, energiegeladene Visionen oder auch leise Melancholie daraus hervor.

 

Wir möchten euch gern an dem, was uns so KREUZ UND QUER GEDACHT durch den Kopf geht, teilhaben lassen. Deshalb stellen wir euch jeden Monatsanfang einen kleinen Gedankenhappen hier ein.

Es ist bereits der dritte Abend, dass ich im Bett liege und höre, wie eine vom Sommer übrig gebliebene Mücke um meinen Kopf schwirrt. Während meine Augen die Zimmerdecke und Wände nach einem kleinen schwarzen und beweglichen Punkt absuchen denke ich: Was hat sich der liebe Gott eigentlich gedacht, als er diese kleinen fiesen Biester erschaffen hat?

Endlich habe ich das Objekt der Begierde am Fensterrahmen entdeckt. Dort sitzt es nun und schaut schon ziemlich kläglich aus: etwas ramponiert, ein hinteres Bein steht im merkwürdigen Winkel ab. Gestochen wurde ich von der Mücke in den letzten zwei Nächten auch nicht mehr. Wahrscheinlich ist sie schon am Ende ihrer Kräfte und ihres Lebens angekommen. Und so fährt meine Hand nicht klatschend auf das Tierchen nieder, sondern schiebt es vorsichtig auf ein Stück Papier und entlässt es durch das geöffnete Fenster zum Sterben in die kühle Nachtluft hinaus. Ich habe eine Stechmücke in die Freiheit entlassen! – Ist das der Anfang einer realitätsfernen Senilität, die einen im Alter ergreift?

Mir fällt ein Abendlied aus meiner Kindheit ein: „Weißt du, wie viel Mücklein spielen in der heißen Sonnenglut … Gott, der Herr rief sie beim Namen, dass sie alle ins Leben kamen …“

Und mir fällt noch ein Lied ein, – eigentlich ist es eher ein Gebet: der Sonnengesang des heiligen Franziskus, dessen Festtag wir in diesem Monat am vierten Oktober feiern.

Mit dem heiligen Franziskus verbinden viele einen Öko-Heiligen, – eine Art Klima-Aktivisten, der die Wesen und Elemente der Schöpfung als seine Brüder und Schwestern betrachtete, den Vögeln predigte und mit den Tieren und Pflanzen sprach.

Ist das nur Legende oder war er wirklich so eine Art liebenswerter Spinner?

Giovanni Bernadone, so war sein italienischer Name, lebte im 13. Jahrhundert in Umbrien in Assisi. Erst später bekam er den Namen Franziskus, weil sein Vater ein Frankreichliebhaber war. Als Sohn eines reichen Tuchhändlers genoss er Bildung, Wohlstand und eine sorglose Jugend. Er war für einen ausschweifenden und dekadenten Lebensstil bekannt. Seine exzessiven Partys galten nicht nur in seinem großen Freundeskreis als legendär.

Eine vielversprechende Laufbahn als Soldat lag vor ihm, als er in den Krieg gegen die Nachbarstadt aufbrach. Doch diese Euphorie endete schon bald im Gefängnis. Die harte Zeit im Kerker löste bei ihm die Frage nach einem sinnerfüllten Leben aus. Er erkannte, dass ihm Reichtum, Macht und politischer Einfluss keine wirklich befriedigende Perspektive boten.

Aus seiner Gefangenschaft entlassen, änderte er sein Leben radikal: Er sagte sich los von seinem Elternhaus und allem Reichtum und führte fortan ein Leben in Armut und Zurückgezogenheit. In dieser Zeit begann auch seine Beziehung zu Gott zu wachsen, die ihn tief prägte. Er liebte die Einfachheit, fühlte sich zu denen hingezogen, die am Rande der Gesellschaft standen und war tief berührt vom Reichtum der Schöpfung.

Den Sonnengesang verfasste er nicht an einem sonnigen Frühlingstag in romantischer Stimmung, sondern als er todkrank in einer Hütte auf Strohmatten lag. Es ist ein Gebet, das hervorbrach aus Krankheit und Not.

Etwa 30 Jahre später schreibt der große Theologe Bonaventura von Bagnoregio in seinem Pilgerbuch: Die ganze Schöpfung ist eine Leiter, um zu Gott aufzusteigen. Und so wird auch verständlich, dass Franziskus im letzten Vers seines Gebetes sogar den Tod als seinen freundlichen Bruder willkommen heißt.

Der Sonnengesang ist ein zeitloser Text, der bis heute nicht an Aktualität verloren hat. Wer die Erde als Mutter, die Sonne, den Mond, die Sterne, Pflanzen und Tiere, – ja sogar den kleinsten Wurm als Bruder und Schwester betrachtet, der lebt aus einer Haltung der geschwisterlichen Verbundenheit mit allen Wesen und Dingen. Der weiß, dass alles in der Schöpfung aufeinander angewiesen ist. Alle Wesen und Elemente der Schöpfung brauchen einander. Sie gehören zusammen, sie sind füreinander gemacht. Kein Geschöpf ist wichtiger als das andere oder hat das Recht über ein anderes zu bestimmen und zu herrschen.

Wir haben das schon lange vergessen. Wir haben die Ehrfurcht vor dem Leben und dem Heiligen verlernt. Vielleicht wollen wir auch nichts davon wissen und hören, weil es uns in unserer Freiheit und Bequemlichkeit, in unserem Wohlstand und Luxus einschränken würde.

Mit der Gier nach eigenem Wohlergehen beuten wir nicht nur unsere Mutter Erde aus, sondern auch unsere Menschengeschwister in den armen Ländern dieser Welt. Wir leben auf ihre Kosten und über unsere Verhältnisse.

Die Konsequenzen sind schon längst spürbar: Klimakatastrophen, Kriege um Erdressourcen und Ströme von Wirtschaftsflüchtlingen brechen immer gewaltiger über uns herein. Wir können diese Entwicklung nicht mehr rückgängig machen. Viel zu lange und hemmungslos haben wir unsere Grenzen überschritten. Aber wir können versuchen, den Wahnsinn anzuhalten und nicht noch weiter zu treiben.

Und machen wir uns da nichts vor: Wege, die Umwelt zu entlasten und die Menschen dieser Welt gleichberechtigt und fair zu behandeln, ohne dabei unseren Wohlstand zu beschneiden, wird es nicht geben. Wir werden auf Manches verzichten müssen. Wir werden uns hier und da einschränken müssen, wenn wir wirklich wollen, dass alle etwas vom großen Kuchen dieser Schöpfung bekommen sollen. Und das geht nur, wenn wir vom hohen Ross der Machbarkeit herabsteigen und uns auf Augenhöhe begegnen: mit unseren Schwestern und Brüdern dieser Welt, mit allen Geschöpfen und Dingen des Universums.

Lassen wir uns nicht abhalten mit dem Gedanken, dass wir allein nichts ausrichten können. Gehen wir einfach mutig kleine Schritte: das Auto öfter mal stehen lassen und mit dem Fahrrad ins Büro fahren; sich das Brot in den mitgebrachten Stoffbeutel einpacken lassen; regionale und saisonale Produkte auf dem Wochenmarkt einkaufen; an meinen Talenten und Begabungen andere teilhaben lassen …

Und wenn Sie nun sagen: Das alles mache ich doch schon!, – dann ist das klasse!

Und dann ist es Ansporn zu überlegen, welchen weiteren Schritt Sie setzen können.

Es gibt so viele Möglichkeiten, einen Beitrag zu leisten, damit wir alle zusammen noch lange auf diesem Planeten in Fülle leben können. Gehen wir es an, – auch für Bruder Wurm und Schwester Mücke!

 

Bleiben Sie behütet!

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

„Lass gut sein!“ – Wenn ich diese drei Worte höre, dann ist das immer mit einer kleinen oder großen Erleichterung verbunden. Wenn ich jemandem das ausgelegte Geld für den Kaffee-Automaten zurückgeben möchte: Lass gut sein! Wenn ich mich verbissen an etwas abmühe, was ich wahrscheinlich nicht erreichen kann: Lass gut sein! Wenn ich krampfhaft versuche, mich zu rechtfertigen für etwas, das nicht richtig war: Lass gut sein!

Irgendwie zieht dieser kleine Satz einen Schlussstrich unter etwas, das bisher noch nicht zu Ende war. Er macht das Offengebliebene rund und heil. Er vermittelt das Gefühl: Jetzt ist es endlich gut so.

Meistens sind es Kleinigkeiten, die mir jemand mit diesen drei Worten erlässt. Aber ich kenne auch die Erfahrung, wo mir jemand auf diese Weise eine größere Schuld vergeben hat. Dann ist die Erleichterung und die Dankbarkeit besonders groß.

Wie entlastend würde erst der Gedanke sein, dass am Ende meines Lebens jemand zu all dem, was in meinem Leben offen, unfertig und unvollkommen geblieben ist, sagen würde: Lass gut sein!

In diesem Monat feiern wir am 29. September das Fest des heiligen Erzengels Michael. Er wird oft mit einer großen Seelenwaage abgebildet, in dessen Waagschalen er die guten und bösen Taten eines Menschen aufwiegt. Ein Bild, das mir fremd ist, das mir vielleicht sogar Unbehagen bereitet. Wird meine Waagschale des Guten die des Bösen überwiegen? Werde ich mit meinem Bemühen zu Lebzeiten den strengen Auswahlkriterien des Erzengels genügen?

Der heilige Michael wird in den meisten Darstellungen nicht nur mit der Seelenwaage abgebildet, sondern – und das noch viel öfter – mit einem Schwert in der Hand, mit dem er einen Drachen zu seinen Füßen bekämpft. Im biblischen Buch der Offenbarung heißt es:

Da entbrannte im Himmel ein Kampf. Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen. Der Drache und seine Engel kämpften, aber sie konnten sich nicht halten und sie verloren ihren Platz im Himmel. Er wurde gestürzt, der große Drache, die Schlange, die Teufel oder Satan heißt und die ganze Welt verführt; der Drache wurde auf die Erde gestürzt und mit ihm wurden seine Engel hinabgeworfen. (Off 12,7-9)

Ein Kampf zwischen Gut und Böse. Und vor allem ein Kampf gegen das Böse. Ich merke, welche Widerstände diese Bibelworte in mir auslösen: Schlange, Teufel, Satan … da kann ich nicht viel mit anfangen.

Wirklich nicht? Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich doch genau: In mir steckt doch auch das Böse, in mir toben manchmal Hass und Wut und Neid; – ja manchmal bin ich ein richtiger Satansbraten.

Und das Böse ist auch in unserer Welt, manchmal versteckt und leise, manchmal lautstark und überwältigend.

In der Offenbarung wird uns versprochen, dass im Himmel das Böse keinen Zutritt findet. Es darf das Reich Gottes nicht betreten. Auch mein innerer Drache muss draußen bleiben. Und dafür – so zeigt es das Bild vom kämpfenden Engel, sorgen gute Mächte, wie Michael und andere Boten Gottes.

Und Gott-sei-Dank heißt das nicht, dass ich keinen Zutritt zum Reich Gottes habe. Aber das Böse in mir, das Biestige, meine dunklen Seiten, – das muss draußen bleiben.

Am Ende gibt es diese gute Macht, die meine dunklen Anteile zähmt und zur Ruhe bringt, indem sie ein für alle Mal ein „Lass es gut sein“ darüber ausspricht.

„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag …“ – Dietrich Bonhoeffer hat diese Zeilen geschrieben aus dem Kellergefängnis in Berlin. Im Raum des Bösen gefangen, wusste er, dass die guten Mächte stärker sein würden.

„Lass gut sein!“ – Menschen, die uns diese Worte zusprechen, sind wie Engel, die heilend ihre Hände um all unsere Unzulänglichkeiten legen.

Vergessen wir das nie!

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Seit Jahren erleben wir, wie die christliche Kirche in Deutschland immer mehr an Bedeutung verliert. In der Corona-Krise kristallisierte sich die Kirche als nicht systemrelevant heraus. Und ihre Relevanz ist nicht nur aus dem System, aus Gesellschaft und Kultur verloren gegangen, sondern ist auch aus dem Leben der meisten Menschen verschwunden.

Man kann viele Gründe dafür bemühen, man kann Entschuldigungen suchen, dass es zu viele andere Angebote gibt oder dass es den Menschen einfach zu geht. Man kann aber auch mit ehrlichem Blick eingestehen, wo und wie die Kirche diese Entwicklung selbst verursacht hat. Nicht nur die Missbrauchsfälle und der innerkirchliche Umgang damit, nicht nur die bornierte Uneinsichtigkeit und Engstirnigkeit in längst fälligen Entscheidungen sind dafür verantwortlich. Es ist vor allem die Unglaubwürdigkeit und Doppelmoral, mit der die Kirche an vielen Stellen Wasser predigt und selbst Wein trinkt.

Dies ist kein Phänomen der heutigen Zeit. Vielmehr zieht sich eine gewisse Heuchelei durch die gesamte Kirchengeschichte.

Schon im Matthäus-Evangelium warnt Jesus die Jünger und das Volk vor den Pharisäern und Schriftgelehrten und sagt: „Richtet euch nicht nach ihren Taten, denn sie reden nur, tun es aber nicht.“ (Mt 23,2)

Denken wir an die Bußpraktiken der Kirche im Mittelalter (und auch darüber hinaus), mit denen sie die Menschen in Angst versetzte und über den exzessiven Ablasshandel die baulichen Reichtümer in Rom finanzierte.

Denken wir an die Heiligen Kriege und Kreuzzüge, die im Namen der Kirche stattfanden, obwohl sie Jesus Christus als Friedensfürst verkündet.

Denken wir daran, wie die Kirche von der Kanzel Sonntag für Sonntag eine Frohe Botschaft verkündet, in der zum Beispiel Jesus die Ehebrecherin nicht verurteilt, und gleichzeitig Geschiedene noch bis vor ein paar Jahren von der eucharistischen Mahlgemeinschaft ausgeschlossen wurden.

Und auch das ständige Um-Sich-Selbst-Drehen und -Sorgen trägt nicht zur Glaubhaftigkeit der Kirche bei, wenn sie dabei, die Menschen vergisst, für die sie eigentlich da sein sollte. Die Liste der

Fragwürdigkeiten in unserer Kirche ließe sich um Vieles ergänzen.

Aber ja, – natürlich gibt es auch andere, mutmachende Erfahrungen. Nicht alle Verantwortlichen in der Kirche handeln korrupt, machtbesessen oder gewissenlos. Es gibt viele unter ihnen, die zuerst den Menschen und seine Bedürfnisse sehen und die nicht nur ihre Stimme gegen Unrecht, Gewalt und Armut erheben, sondern auch tatkräftigen Einsatz leisten.

Solche mutmachenden Vertreter*innen der Botschaft Jesu Christi gab es auch schon vor unserer Zeit.

Ich denke da z.B. an den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, der die Machenschaften der Nazis durchschaute, öffentliche Stellung nahm gegen die Judenverfolgung und schließlich im Jahr 1945 aufgrund seiner religiös motivierten Widerstandsarbeit hingerichtet wurde.

Ich denke an Oscar Romero, den Erzbischof von San Salvador, der für soziale Gerechtigkeit und Reformen in seinem Land eintrat und sich somit in Opposition zur damaligen Militärdiktatur stellte. Er wurde im März 1980 während einer von ihm im Krankenhaus zelebrierten Messe am Altar erschossen, – weil er mit seinem unbequemen Engagement den Machthabern im Wege stand.

Und wenn wir in unserer Kirchengeschichte noch weiter zurück gehen, erinnere ich an den heiligen Laurentius, der im dritten Jahrhundert nach Christus lebte. Als Diakon der Gemeinde in Rom war es seine Aufgabe, für die armen, kranken und bedürftigen Menschen zu sorgen. Die Gemeinde, in der er wirkte, verfügte über Wohlstand und Reichtum und weckte die Aufmerksamkeit und Gier des Staates. Deshalb lässt der damalige Kaiser Valerian den ansässigen Bischof Sixtus töten, um sich widerstandslos an den Besitztümern der Gemeinde bereichern zu können. Kurz vor seiner Hinrichtung ruft Bischof Sixtus noch seinem Diakon Laurentius zu: „Verteile unser Vermögen, damit es nicht in die Hände Valerians fallen kann!“

Drei Tage arbeitet Laurentius mit seinen Helfern fieberhaft, bis das gesamte Vermögen der Gemeinde verteilt ist: an arme und kinderreiche Familien, an Waisen und Witwen. Als er kurze Zeit später von Valerian aufgefordert wird, das Geld an die Staatskasse abzuliefern, tritt er mit einem langen Zug von Bettlern, Kranken und Armen vor den Kaiser und sagt: „Das, Kaiser, ist der wahre Schatz der Kirche. Denn unser Herr hat die Armen und Hungrigen seliggepriesen.“

Laurentius wird daraufhin vom wütenden Kaiser auf einem glühenden Rost verbrannt. Das ist auch der Grund, weshalb der Heilige in fielen Darstellungen mit einem Grill in der Hand abgebildet wird.

Dietrich Bonhoeffer, Oscar Romero und der heilige Laurentius – es sind nur drei Beispiele für sicherlich tausende von Christen und Christinnen, die auch heute noch für die Botschaft Jesu Christi einstehen, die sich nicht hinter Vorgaben und Regeln verstecken, sondern ihren Glauben in die Tat umsetzen.

Laurentius, dessen Gedenktag wir am 10. August begehen, musste dafür auf dem Grill verbrennen. Er konnte sich diesem grausamen Tod fügen, weil er schon zu Lebzeiten brannte, – für den Glauben an einen Gott, der an der Seite der Benachteiligten und Hilfsbedürftigen steht.

Wir müssen für unseren Glauben nicht gleich unser Leben hergeben wie der heilige Laurentius. Aber vielleicht können wir uns – angeregt durch sein Vorbild – einmal selbst die Frage stellen:

Für wen oder was brenne ich eigentlich?

Und wie glaubwürdig bin ich als Christ oder Christin?

 

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

In den letzten Jahren fanden sich unter den 10 beliebtesten Mädchennamen u.a. auch immer die Name LENI, LENA oder LINA. Alles Abkürzungen für den vollen Namen MAGDALENA.

Die wohl berühmteste Frau, die diesen Namen trug, war Maria Magdalena , die Gefährtin von Jesus, bzw. Maria von Magdala. Denn der zweite Teil des Namens – „Magdalena“ – deutet auf nichts anderes hin als auf den Herkunftsort jener Maria.

In diesem Monat, am 22. Juli, feiern wir ihren Gedenktag.

Die Bibel verrät wenige Details über das Leben der Maria Magdalena. In den Evangelien wird sie als treue Jüngerin Jesu beschrieben.

Nachdem Jesus sie von sieben Dämonen geheilt hatte, begleitete sie ihn von Galiläa bis nach Jerusalem. Sie ist diejenige, die Jesus auch auf seinem Leidensweg nicht im Stich lässt, ihm bis zum Tod am Kreuz die Treue hält, – während die Jünger aus Angst davon rennen.

Sie beobachtet seine Grablegung und hält Grabwache. Und sie darf als erste dem Auferstandenen begegnen und erhält von ihm den Auftrag, die frohe Botschaft weiter zu verkünden. Eine bemerkenswerte Frau, die als einzige das „gestorben – begraben – auferstanden“ bezeugen kann.

Soweit die biblischen Kenntnisse über Maria Magdalena.

Im Laufe der Kirchengeschichte kam es zu einer fragwürdigen und tendenziösen Verschmelzung der Jesusjüngerin Maria von Magdala mit anderen Frauengestalten des Neuen Testaments. Vor allem mit der namenlosen Sünderin bei Lukas (Lk 7,36-50), die ihre Reuetränen auf die Füße Jesu weint und sie dann mir ihrem Haar abtrocknet und mit Öl salbt.

Im 6. Jahrhundert verbindet Papst Gregor diese beiden Identitäten zu einer einzigen Person und erklärt damit Maria Magdalena zur Sünderin.

So hat sich ein höchst ambivalentes Magdalenen-Bild entwickelt. Die Magdalena der Kirchengeschichte wird gegen das Zeugnis der Evangelien eben nicht als Verkünderin dargestellt, sondern, stark erotisch eingefärbt, einseitig als devote, reuige Büßerin: die schwache Frau, die schöne Sünderin, die Verführerin.

Egal, welches Bild die Geschichte von Maria Magdalena gezeichnet hat, – für mich ist sie eine starke und tapfere Zeugin.

Wo die Jünger Jerusalem, dem Ort des Leidens und Todes ihres Rabbis, schnell den Rücken kehren wollen, bleibt sie an dem Ort des schmerzlichen Verlustes. Sie sucht wieder und wieder das Grab auf, um sich zu erinnern, um zu trauern und fast mit hinab zu steigen in das Reich des Todes. Sie kann ihren geliebten Meister nicht einfach loslassen, aus den Gedanken verscheuchen und aus dem Herz reißen. Sie gibt sich der quälenden Sehnsucht hin, ihn doch irgendwie noch einmal spüren und fassen zu können.

Über den Tod hinaus ist ihre Liebe zu ihm so stark, dass sie selbst ganz verwundbar und verletzlich wird. Sie lässt sich von dem tiefen Schmerz berühren, übergibt sich ganz der Trauer und Verzweiflung. Sie flieht nicht, verdrängt nicht, schließt ihren Kummer nicht einfach weg.

Vielleicht ist sie deshalb die Erste, die bereit ist, den Auferstandenen wahrzunehmen und zu erkennen. Es braucht das Durch-Trauern und die Hingabe in schmerzlichen Erfahrungen, um irgendwann wieder Hoffnung und Neubeginn wahrnehmen zu können. Das gilt auch für unser ganz persönliches Leben.

Der Liedermacher Konstantin Wecker singt in seinem „Novemberlied“: „Es fasst im Frühling der nur Mut, der sich im Herbst auch Trauer schenkt.“

Maria Magdalena hat sich mit ihrer schmerzlichen Sehnsucht empfänglich gemacht für das Unerwartete, für das Wunder. Sich auf der Suche nach dem Toten vom Leben finden lassen, – das ist ihre entscheidende Botschaft.

Wann immer Sie traurig und verzweifelt sind, – lassen Sie sich darauf ein. Trauen Sie Ihrem Schmerz, dass er Sie liebevoll in neues und weites Land führen wird.

Und bleiben Sie behütet!

Ihr Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Der 24. Juni ist für mich immer ein eindrückliches Datum: An diesem Tag bereite ich ein letztes Mal im Jahr eine ordentliche Portion von dem von uns so geliebten frischen Spargel zu. Außerdem ist es sehr wahrscheinlich, dass um dieses Datum herum die Johannisbeeren erntereif sind.

Aber das ist nicht der eigentliche Grund, warum der 24. Juni im Volksmund auch „Johannistag“ genannt wird. Vielmehr hat der heilige Johannes, der Täufer, diesem Tag den Namen gegeben, denn dann feiern wir seinen Namenstag.

Was wissen wir eigentlich von Johannes dem Täufer?

In der Bibel wird er als ruppiger Geselle beschrieben, mit einem Gewand aus Kamelhaar, das er mit einem Ledergürtel um die Hüften trug. Er ernährte sich von Heuschrecken und wildem Honig, hatte keinen festen Wohnsitz und mir kommt sofort das Bild eines Aussteigers, bestenfalls eines ökologischen Freaks in den Sinn. – Man sollte meinen, dass man einem solch suspekten und nicht sehr vertrauenswürdigen Haderlumpen besser nicht zu nahe kommen wollte.

Und doch hatte er anscheinend eine große Anhängerschaft, die ihm in die Wüste folgte und sich von ihm im Jordan taufen ließ. Was machte diesen Mann, der die Menschen zur Umkehr aufrief und ihnen in seinen Bußpredigten den Spiegel vorhielt, so anziehend?

Johannes war eine starke Persönlichkeit mit unterschiedlichen Seiten: Einerseits war er der leidenschaftliche Kämpfer für Gerechtigkeit, der die Reichen aufforderte, ihre Besitztümer mit den Armen zu teilen; der den Zöllnern sagte: „Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist.“ und zu den Soldaten: „Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!“; der kein Blatt vor den Mund nahm, – auch gegenüber König und Kaiser nicht. Er konnte mutig an die Grenzen gehen und gegen den Strom schwimmen. Er war jemand, der sein Programm nicht nur verkündete, sondern es auch selbst lebte: radikal, ehrlich und authentisch.

Und andererseits wusste er, dass er nur der Vorreiter eines noch Größeren und Stärkeren, nach ihm Kommenden war. Er wusste, dass er es nicht wert war, dessen Sandalen aufzuschnüren. Er wusste, dass er Weg-Bereiter war für diesen Jesus von Nazareth, – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Wüste und Wasser – das waren seine Wirkungsstätten

Er ist rausgegangen in die Wüste, in die Einsamkeit. Dorthin, wo die Geschichte Israels ihren Anfang nahm. Und an den Jordan, den es immer wieder zu überschreiten gilt, wenn man verheißenes Land betreten will.

Er hat die adventliche Sehnsucht des Wartens gelebt: „Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich. Er wird euch mit Heiligem Geist taufen.“ Johannes lebte für eine Vision, an die er fest glaubte. Er vertraute darauf, dass Gott in diese Welt treten wird und er wollte dafür sorgen, dass ihm kein Hindernis den Weg versperren.

Wir erleben auch jetzt wieder Wüstenzeiten. Ökologisch sowieso. Aber auch gesellschaftlich und kirchlich. Die Hitze nimmt zu, die Folgen unserer eigenen Lebensweise. Der dringende Weckruf zur Umkehr ist aktueller denn je.

Johannes, du fehlst! Du wärst hier auf unserer Welt so wichtig! Deine Leidenschaft, dein Mut, dein Gottvertrauen, – das würde uns guttun.

Heiliger Johannes, – bitte für uns!

Ich wünsche uns allen einen Johannestag, der wachrüttelt und Mut macht umzukehren, wo es nötig ist.

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Letztes Jahr im Mai, als ich mir im Urlaub eine Kirche anschauen wollte, geriet ich zufällig in eine Mai-Andacht.

„Meerstern, ich dich grüße“ – erschallte ein altes Kirchenlied. Darin heißt es:

Meerstern, ich dich grüße … Mutter Gottes, süße …

Rose ohne Dorne … du von Gott Erkorne …

Lilie ohne Gleichen … der die Engel weichen …

UFF!

Das musste ich erst mal sacken lassen. Soviel Anmut, Reinheit und Liebreiz, die mir da entgegen schlugen, können schon mal überfordern.

Zuhause machte ich mich dann auf die Suche nach Marienliedern und deren Texte. Und ich war sprachlos, ja sogar irritiert, wie viel poetische Süße und Lieblichkeit hier oft über Maria ausgegossen wird. Zumindest in den alten Liedtexten, denn modernere Lieder zur Gottesmutter sind sehr rar.

Ist das das Bild, das Frauenbild, mit dem ich mich identifizieren möchte?

Ist das die Frau, die im Monat Mai in der katholischen Kirche verehrt wird? So unschuldig und zart und rein und unantastbar?

Maria wird in der katholischen Kirche besonders im Monat Mai verehrt. Im Mai verwandelt der Frühling die Welt mit neuem Leben. Mit diesem Wunder des Frühlings wird Maria in Verbindung gebracht. Denn als Mutter von Jesus, der den Tod besiegt und Leben in Fülle gebracht hat, wird sie als Inbegriff des neuen Lebens gesehen. Und deshalb sprechen wir auch vom Marienmonat Mai.

Aber kehren wir zurück zu der Frage: Welches Bild habe ich eigentlich von Maria?

Mich beeindrucken vor allem zwei Szenen aus dem Leben Marias.

Da ist das bedingungslose JA, das sie spricht, als ihr die Aufgabe anvertraut wird, Mutter des erwarteten Messias zu sein. Sie überlegt nicht lange und zögert nicht, sie lotet nicht die Vor- und Nachteile aus. Und es hätte genügend verständliche Gründe für ein NEIN gegeben! Aber sie nimmt den Auftrag an. Ohne Wenn und Aber, ohne offene Hintertür, ohne gekreuzte Finger hinterm Rücken. Ihr JA ist ein JA, kein Ja-Aber, kein Wenn-Dann, sondern ein schlichtes und einfaches JA, das ihren ganzen Lebensplan auf den Kopf stellt.

Maria – eine Frau, die nicht zaudert, die ihre Zusage gibt und weiß, wann es gilt, die Stimme zu erheben und sich zur Verfügung zu stellen.

Ein paar Kapitel später erleben wir die schweigende Maria. Als die Hirten dem neugeborenen Jesus im Stall von Bethlehem huldigten und erzählten, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war, heißt es von ihr: Maria aber bewahrte alle diese Worte in ihrem Herzen und dachte darüber nach. Keine eilige Antwort, kein vorschnelles Wort – erst einmal zuhören und ohne Bewertung annehmen. Versuchen, es mit dem Herzen zu verstehen, also mit Liebe zu betrachten.

Ja, mit diesen Beschreibungen von Maria kann ich etwas anfangen. Sie stellen mich infrage, rücken mir auf die Pelle. Sie fragen mich:

  • Wann und wo ist mein bedingungsloses und eindeutiges JA gefragt?
  • Warum fehlt mir so oft der Mut, mich auf Neues und Ungewohntes einzulassen?
  • Und wo verhindere ich aus Feigheit und mit ängstlichem Zaudern, dass sich Leben entfalten kann?

Und andersherum:

  • Kann ich mich zurücknehmen und schweigen, wenn alle losplappern, schwatzen und vorschnell ihre Gedanken preisgeben?
  • Lasse ich Eindrücke erst mal in mein Herz, damit ich sie mit den Augen des Verstehens und der Liebe betrachten kann?
  • Wo und wann braucht es meine Gelassenheit, damit Hochgekochtes zur Ruhe kommen kann?

Maria kann so viel mit unserem alltäglichen Leben zu tun haben. Wir müssen sie nur hin und wieder vom Sockel der Unantastbarkeit herunter holen und sie in unseren Alltag hineinlassen.

So würde aus der unbefleckten eine vom Alltag befleckte Maria.

Genau das beschreibt auch Karl Mittlinger in diesem kleinen Text:

Den

findigen

händlern

dein bild entreißen

den harmlosen

fabulierern

ins wort fallen

von

kerzenschweren

altären

dich ins leben befreien.

Vielleicht kann uns der Marienmonat Mai mit solchen Gedanken und Fragen die Gottesmutter nochmal auf ganz andere Weise näherbringen.

 

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

„Russland und die Ukraine führen echte Friedensgespräche“ – „Nahostkonflikt zwischen Israel und der Hamas von beiden Seiten spontan beendet“ – „Katholische Kirche investiert 80 Prozent ihres Vermögens in die weltweite erneuerbare Energiegewinnung“  – „Klimaforscher bestätigen einen signifikanten Rückgang der globalen Erderwärmung“ – „In Deutschland gibt es wieder genügend Fach- und Pflegekräfte“ – „Weltweit ist die Zahl der Entwicklungsländer um 60 Prozent gesunken“  …

So oder so ähnlich könnten Nachrichten aussehen, über die wir uns alle freuen würden und die wir sehnsüchtig erwarten. Das wären wirklich frohe Botschaften, Botschaften der Erleichterung, der Hoffnung und des Aufatmens.

Leider ist es nicht so. Im Gegenteil: Die Medien überschütten uns tagtäglich mit schlechten Nachrichten und man hat den Eindruck, dass die weltweiten Katastrophen und Krisen immer schneller und gravierender auf uns einbrechen.

Wann haben Sie die letzte gute Nachricht empfangen? – Müssen Sie da lange überlegen oder wissen Sie sofort ein passendes Beispiel?

Der heilige Markus, dessen Fest wir in diesem Monat am 25. April feiern, ist jemand, der den Menschen eine frohe Botschaft hinterlassen hat. Er war einer der vier Evangelisten und hat in sehr anschaulicher Weise Jesu Leben von der Taufe bis zur Auferstehung beschrieben.

Ob Markus Jesus zu Lebzeiten gekannt hat, lässt sich nicht eindeutig belegen. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass er nicht zu dessen direkten Jüngern gehörte. Er wurde als Johannes Markus in Jerusalem geboren. Der Überlieferung nach fand im Haus seiner Mutter das letzte Abendmahl statt und dort versammelte sich nach Jesu Tod auch die erste jerusalemer Urgemeinde.

Markus wurde ein Schüler der heiligen Apostel Petrus und Paulus und unternahm mit ihnen einige Missionsreisen. Später verkündete und bezeugte er selbst den christlichen Glauben in Ägypten und Alexandrien. Um das Jahr 68 n.Chr. starb er in Alexandrien den Märtyrertod.

Was Markus von Petrus über das Leben und Wirken Jesu gehört hatte, schrieb er auf. Seine Niederschriften finden wir im heutigen Markus-Evangelium, das zwischen 50 und 60 n.Chr. entstand und damit das älteste der vier Evangelien ist. Weder erreicht es die theologische Tiefe des Johannes-Evangeliums, noch kann es mit derart vielen Einzelheiten aus dem Leben Jesu aufwarten wie das Matthäus- oder Lukas-Evangelium. Mit nur 16 Kapiteln ist es sogar das mit Abstand kürzeste Zeugnis unter den Evangelien. Und doch braucht es sich in seiner Schlichtheit nicht zu verstecken. Denn in beeindruckender Weise spricht es mit den Wunder- und Heilungserzählungen vom Anbrechen des Reiches Gottes.

Markus war nicht nur der Erste, der das Leben Jesu aufgeschrieben hat, er war auch der Erste, der das Aufgeschriebene „Evangelium“ (= Frohe Botschaft) nannte. Im ersten Satz seines Werkes schreibt er wie in einer Überschrift: Dies ist der Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Er nennt also seine Überlieferung „Evangelium“ – Frohe Botschaft. Und genauso beeindruckend sind die letzten Verse am Ende seines Evangeliums. Dort schreibt er nieder, was Jesus am Ende seinen Jüngern aufgetragen hat: Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!

Eine frohe Botschaft in die ganze Welt hineinzubringen, – das war die Passion des heiligen Markus. Er wollte, dass die guten Nachrichten von Trost und Heil, von Wundern und Liebe, die mit Jesu Leben greifbar geworden waren, bis in die letzten Winkel der Erde die Menschen erreichen sollte.

Schon lange leben die ersten Zeugen der Jesusbewegung nicht mehr. Aber die Zeugnisse haben wir noch vorliegen. Und eines davon ist das Markus-Evangelium. Es zeigt uns, dass es damals vor 2000 Jahren diesen Jesus wirklich gegeben hat. Und dass durch ihn Menschen ein Leben in Fülle gefunden haben.

Bei all den traurigen und entsetzlichen Nachrichten, die heute die Welt erschüttern, brauchen wir mehr denn je Botschafterinnen und Botschafter, die frohe Botschaften verkünden. Nicht nur in Worten, sondern vor allem durch Taten.

Das Evangelium des heiligen Markus könnte da eine gute Vorlage sein.

 

Bleiben Sie behütet!

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

In diesem Monat, am 19. März, feiern wir das Fest des heiligen Josef.

Ein Heiliger, von dem wir aus der Bibel nur sehr wenig wissen. Dort wird er uns beschrieben, wie ein „Nullachtfünfzehn-Typ“, nicht besonders spektakulär, sondern eher ganz normal. Einer wie du und ich.

Und so einer wird ein Heiliger?

Josef, der Handwerker aus Nazareth, hatte bestimmt nicht den Plan, ein berühmter Mensch oder gar ein Heiliger zu werden. Er war um ein ehrliches und verlässliches Leben bemüht. Ein Mann der Arbeit, der sich eher in der zweiten Reihe wohlfühlte.

Er war keiner, der große Reden schwingt. Stattdessen konnte er hin-hören. Nicht auf das Geschwätz der anderen, die über ihn und seine Verlobte tuschelten, weil sich eine uneheliche Schwangerschaft ankündigte. Er hörte auf die Botschaften der Engel, die ihm in seinen Träumen begegneten und vertraute diesen Worten mehr als seinen Zweifeln.

Er war nicht berechnend, sonst hätte er seine Verlobte, die nicht von ihm schwanger war, sicher dorthin geschickt, wo der Pfeffer wächst. Er fühlte sich auch weiterhin verantwortlich – entgegen jeder Vernunft.

Als Pflegevater von Jesus übernahm er ganz selbstverständlich die Aufgaben, die ein damaliger Vater im jüdischen Kulturkreis innehatte. An niemand anderem als an Josef erfuhr der kleine Jesus, was ein Vater ist. Von ihm hat er alles gelernt, was ein Kind und Jugendlicher lernen muss. Und von ihm hat er auch gelernt, auf Gott zu vertrauen, sein Leben ihm zu überlassen.

Josef – ein Träumer.

Josef – ein Hörender.

Josef – ein Glaubender

Josef – ein liebevoller Vater.

Ich weiß nicht, ob diese Eigenschaften dem heutigen Vater- und Männerbild entsprechen. Und ehrlich gesagt, frage ich mich auch: Reicht das aus, um ein Heiliger zu sein?

Braucht es dazu nicht viel mehr?

Wie viele Menschen gibt es auf dieser Welt, denen es ähnlich ergeht wie Josef? Sie hatten einen Plan von ihrem Leben und dann kommt alles ganz anders. Sie verstehen vielleicht nicht, warum gerade sie vor Herausforderungen gestellt werden, die sie sich nicht ausgesucht haben. Aber eine innere Stimme sagt ihnen, dass es auch über vermeintliche Umwege vorwärts gehen kann. Sie vertrauen sich diesem inneren Wegweiser an. Die einen nennen diesen Wegweiser Schicksal, die anderen vielleicht Gott. Aber sie geben nicht auf. Sie stellen sich einfach dem Leben und seinen manchmal so verschlungenen Wegen.

Wenn das genügt, um ein Leben als heilig zu bezeichnen, dann kann ich Josef nur dankbar sein.

Er zeigt mir, dass auch du und ich vor Gott Heilige sein können. Wir müssen uns nur seiner Führung anvertrauen und fest darauf vertrauen, dass unser Leben mit seiner Hilfe gelingt. Mag es uns auch manchmal noch so verworren und unverständlich vorkommen.

Ein altes Gebet kommt mir in den Sinn, dass der Haltung des Hl. Josef Ausdruck verleiht und auch uns weiterhelfen kann, wenn wir mal wieder vor einem der kleinen und großen Lebensrätsel stehen:

Ich weiß, dass du mein Vater bist,

in dessen Arm ich wohl geborgen.

Ich will nicht fragen, wie du führst,

ich will dir folgen ohne Sorgen.

Und gäbest du in meine Hand mein Leben,

dass ich selbst es wende;

ich legt´ mit kindlichem Vertrau´n

es nur zurück in deine Hände.

 

Bleiben Sie behütet.

 

Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Egal, wo man geht und steht: aus Schokolade, aus Zuckerguss, aus Kuchenteig, aus Marzipan, aus Plüsch, aus Glitter, aus Papier, aus Pappmaschee, aus Seife, aus Porzellan, als Luftballon mit oder ohne Helium – Herzen-Invasion Mitte Februar!!! Denn dann ist Valentinstag.

So finde ich den Valentinstag überhaupt nicht mehr herz-lich. So ist der 14.Februar doch nur noch ein Tag voller Konsum und Erwartungsdruck: Blumen kaufen, Liebesbrief schreiben, auf Knopfdruck romantisch sein …. Wie unromantisch!

Noch unromantischer sind die Blumenpreise rund um diesen Tag. Und das war auch schon im alten Rom so. Denn schon in der Antike war der 14. Februar für Blumenverkäufer ein segensreicher Tag. Zum Festtag der Göttin Juno, der Beschützerin von Ehe und Familie, schenkten Männer ihren Frauen Blumen. Um das Jahr 300 war dann Schluss mit den römischen Göttern. Da wurde das Christentum zur Staatsreligion. Knapp 150 Jahre später wird der 14. Februar zum Gedenktag des Heiligen Valentin, der im Jahr 268 als christlicher Märtyrer gestorben.

Viel weiß man heute nicht mehr um den historischen Valentin. Aber schnell rankten sich Legenden um ihn, dass er Liebende nach christlichem Ritus gesegnet und verheiratet hat, obwohl Kaiser Claudius II. das verboten hatte. Ob erfunden oder wahr – der Valentinstag ist bis heute weltweit der Tag der Liebenden.

Bräuche gibt und gab es schon immer.

Anonyme Liebesgrüße, die man sich z.B. auch schon im 16. Jahrhundert in England schrieb, öffentliche Liebeserklärungen, das Anbringen von Liebesschlössern an Brückengeländern und in vielen Kirchen können sich Paare segnen lassen. Letzteres ist übrigens eine Tradition, die ihren Ursprung in Erfurt hat. Im Jahr 2000 wurde dort der erste ökumenische Segnungsgottesdienst gefeiert, offen für alle, die partnerschaftlich unterwegs sind, – egal ob christlich oder nicht. Denn wo sich Menschen lieben, da ist eine höhere Macht irgendwie immer mit im Spiel.

Mir fällt das Bild von einer Wäscheklammer ein: zwei Hälften, die mit einer Metallfeder zusammengehalten werden. Die Wäscheklammer funktioniert nur, wenn sie vollständig ist. Wenn die Metallfeder in der Mitte fehlt und die beiden Holzhälften auseinanderfallen, ist sie sinnlos. So braucht auch die Liebe zwischen zwei Menschen diese machtvolle Verbindung, die sie zusammenhält. Für den einen ist es Schicksal, für den anderen ist es Gott, der da wirkt.

Tja, – die Liebe ist eine Himmelsmacht. Und am Ende ist doch wichtig, dass das Herz höher schlägt, wenn man an seine Liebe denkt und nicht, was man sich schenkt.

 

Bleiben Sie behütet.

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Nun ist alles wieder vorbei! Die Wochen dieser kurzen Adventszeit sind mal wieder wie im Flug vergangen und die Weihnachtstage liegen auch schon längst hinter uns. In den nächsten Tagen werden wir den Tannenbaum vom Schmuck befreien und an die Straße legen oder im Ofen verbrennen. Wir werden die Krippenfiguren wieder sorgfältig in ihre Schachteln packen und die Weihnachtsdeko zurück in den Keller oder auf den Dachboden bringen. Die weihnachtliche Straßenbeleuchtung in den Städten wird abgeräumt und die Buden der Weihnachtsmärkte sind schon längst wieder verschwunden. Das war´s mal wieder. Weihnachten wird wie immer in den ersten Wochen des neuen Jahres eingetütet und weggeräumt.

Aber Halt! Da ist doch noch etwas – oder besser gesagt jemand, der den Zauber der Weihnacht mit ins neue Jahr rettet. Drei Gestalten in prächtigen Gewändern mit einem Stern in der Hand tauchen jetzt auf in den Straßen und an unseren Haustüren, um uns den Segen für das neue Jahr zu bringen.

Die heiligen drei Könige – wer waren die eigentlich?

Wenn es wirklich drei Magier oder Sterndeuter aus Chaldäer oder Persien waren, wie es manche Forschungstheorien vertreten, dann müssen sie bestimmt zwei oder drei Monate unterwegs gewesen sein, um schließlich in Judäa anzukommen.

Was hat diese drei Männer angetrieben, eine derart lange Reise auf sich zu nehmen? Eine Reise voller Ungewissheiten, Gefahren, Entbehrungen und ohne genau zu wissen, wohin dieser merkwürdige Stern sie führen würde. Wer oder was hat sie auf den Weg geschickt? Eine unbestimmte Ahnung? Eine ungewöhnliche Konstellation am Sternenhimmel? Ein Komet? Ein besonderes Ereignis? Eine Sehnsucht? – Wir wissen es nicht wirklich.

Aber es scheinen wache Menschen gewesen zu sein, die einer Intuition folgten, die achtsam, aufmerksam und offen waren für das, was sie lockte und die ihrer Sehnsucht trauten. Menschen, die wussten, dass sich in ihrem Leben noch nicht alles erfüllt hat, dass da noch etwas war, für das es sich lohnte, sich auf die Suche zu machen. Menschen, die sich in Bewegung setzten für eine Hoffnung auf etwas Größeres und Besseres.

Sie gaben sich nicht zufrieden mit den Sorgen und Nöten, den Zwecken und Leistungen des Alltags. Sie spürten, dass es noch mehr als das alles geben muss. Und sie suchten so lange danach, bis sie es im Stall von Bethlehem gefunden hatten.

Kenne ich das nicht auch? Diese innere Unruhe, diese Stimme, die sagt, dass da noch etwas ist, das Beachtung finden und gelebt werden will. Oft sind es nur kleine Impulse, manchmal aber auch größere Träume. Oder anders gefragt: Schaue ich nach meinem inneren Stern? Nehme ich ihn wahr? Traue ich meiner Sehnsucht und folge ich ihr? Erkenne ich darin vielleicht sogar einen Plan, den Gott mit mir hat?

Oder bleibe ich stehen bei den Sätzen: Eigentlich müsste ich mal … und Ich wollte doch schon immer mal … und Das kann ich auch noch später machen … und Das schaffe ich sowieso nicht … und Das ist doch nur eine Spinnerei …

Unsere Zeit fließt dahin. Genauso schnell, wie Weihnachten vorüber geht, dauert auch unser Leben nicht endlos!

Ein neues Jahr hat begonnen. Und wie immer gibt es da viele Vorsätze und Ziele.

Und vielleicht ist da ja auch in uns ein alter Wunsch, dem wir uns stellen wollen, eine schon lange andauernde Sehnsucht, die endlich gelebt werden will.

Welchem inneren Stern auch immer Sie in diesem Jahr nachgehen wollen:

Bleiben Sie behütet.

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Jetzt können wir sie wieder überall sehen: Engel!

In Schaufenstern, in Werbe-Clips, als Tischdeko bei der Adventsfeier oder auf den Weihnachtsmärkten. Kleine, große, schlichte oder kitschige, die einen mit Lockenhaar und goldenen Flügelspitzen, die anderen eher frech und spitzbübisch.

In der Bibel ist immer wieder die Rede von Engeln. Sie beschützen die Menschen, helfen aus ausweglosen Situationen, führen und leiten und verkündigen den Menschen Gottes große Pläne, die er mit ihnen vor hat und die Berufungen, die er ihnen anbietet. Hier sind Engel also Gottes Zuwendung zu uns Menschen.

Auch in den Erzählungen rund um die Geburt Jesu tauchen immer wieder Engel auf:

Der Engel Gabriel verkündet Maria, dass sie den Sohn Gottes zur Welt bringen wird. Engel verheißen den Hirten auf dem Feld, dass Jesus im Stall von Betlehem geboren wurde. Josef wird im Traum von einem Engel vor den herrschsüchtigen Plänen des Herodes gewarnt und flüchtet mit seiner jungen Familie nach Ägypten.

Vielleicht haben deshalb die Engel in diesen (Vor-)Weihnachtswochen Hochkonjunktur. Und vielleicht auch, weil diese Zeit doch auch irgendwie eine Zeit der Wunder und Geschichten ist und diese märchenhaften Wesen da gut hineinpassen.

Aber was wäre, wenn Engel nicht nur in unseren Geschichten und Bildern vorkommen würden, sondern wirkliche Menschen wären?

Was wäre, wenn sie nicht nur in der Weihnachtszeit, sondern jederzeit in unser Leben treten könnten?

Der berühmte Maler und Bildhauer Michelangelo hat einmal gesagt: „Ich habe in dem Steinblock einen Engel gesehen. Und dann habe ich solange gemeißelt, bis ich ihn befreite.“

Und in dem schwedischen Film „Wie im Himmel“ sagt die junge Lena zu Daniel, in den sie sich verliebt hat: „Wenn ich die Augen zusammenkneife, dann kann ich deine Flügel sehen. Flügel gibt’s bei allen. Und ich kann sie schon an einigen Menschen sehen. Und wenn ich fleißig übe, kann ich sie irgendwann an jedem sehen.“

Ich habe das heute mal ausprobiert. Ich habe mir die Menschen, die mir begegnet sind mit Flügeln vorgestellt. Die Menschen, die mir auf dem Weg zur Arbeit begegnet sind, die Kolleginnen im Büro, meinen Nachbarn, der die Mülltonne in die Garage schob, meinen Mann, als er in die Lektüre der Zeitung vertieft war …

Und mit dieser Vorstellung habe ich mich daran erinnert, dass mir in jedem dieser Menschen ein Stück von Gott begegnet. In diesen Menschen, die ich kenne oder auch nicht, die einfach in meinem Alltag auftauchen, kann mir Gott entgegenkommen.

Ich muss nur bereit sein, in ihnen das Gute zu sehen. Und ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch etwas davon in sich trägt. Es zu zeigen, fällt vielleicht dem einen leichter als dem anderen, – aber es ist da, – das Gute, das Göttliche in jedem Menschen.

Und wenn ich selbst mal wieder mürrisch und übelgelaunt durch den Tag schlurfe, dann hoffe ich, dass da jemand ist, der behutsam und liebevoll den Meißel an mir ansetzt und ein Stück vom Engel in mir befreit.

Also, – schauen wir in diesen Tagen die Menschen um uns herum einmal mit einem anderen Blick an und suchen wir den Engel in ihnen.

Und wer weiß? Vielleicht begegnen wir uns ja irgendwo mit zusammengekniffenen Augen.

 

Bleiben Sei behütet!

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

In den letzten Tagen haben wir den Komposthaufen im Garten umgesetzt. Beim Durchsieben der Kompostmasse waren die unterschiedlichen Zersetzungsphasen in den verschiedenen Lagen gut auszumachen. Während sich im unteren Bereich schon krümeliger Humus vorfand, waren in den oberen Schichten noch Zwiebel- und Kartoffelschalen sichtbar und auch welke Salatblätter und die Reste vom letzten Tee-Aufguss waren noch deutlich zu erkennen.

Es ist schon interessant, wie die Natur aus Mist und Abfall Gutes hervorbringen kann.

Auch wenn man jetzt durch die Wälder geht und das abgefallene Laub am Boden einen modrigen Geruch und einen glitschigen Untergrund verbreitet, ist kaum vorstellbar, dass sich diese dichte Blattschicht über den Winter zersetzt und damit dem Boden gute Nährstoffe liefert. So wird aus altem, nicht brauchbarem Material etwas Gutes und Wertvolles.

Im November werden wir immer wieder mit dem Sterben, dem Tod und dem Zerfall konfrontiert. Und auch mit unserem Glauben, dass aus dem Tod neues Leben entsteht. Wir kennen die Gedanken und Bilder der Verwandlung vom Tod zum Leben. Wir haben schon so oft die Botschaft gehört, dass mit dem Tod nicht alles aus ist. Manchmal fällt es uns leicht, daran zu glauben. Aber weiß Gott, es gibt auch Zeiten, in denen es unendlich schwer ist, dieser Zuversicht zu trauen.
Doch darauf zu hoffen, dass aus dem ganzen Mist und Unsinn, den wir hier im Leben so fabrizieren, am Ende etwas Gutes werden soll, – das ist doch wirklich zu viel verlangt. Dass der faulige Unrat unseres Lebens, der zum Himmel stinkt und von dem man sich am liebsten angewidert abwenden möchte, sich letztendlich in etwas Wertvolles wandeln wird, – das übersteigt jede Vorstellung.

Mein Blick fällt auf die Schüppe in meiner Hand, die gerade einen braunen, undefinierbaren und modrigen Klumpen aus dem Kompost zieht und mir fällt ein Lied ein:

„Meine engen Grenzen, meine kurze Sicht, bringe ich vor dich.
Wandle sie in Weite. Herr, erbarme dich.
Meine ganze Ohnmacht, was mich beugt und lähmt … – Wandle sie in Stärke …
Mein verlor´nes Zutrau´n, meine Ängstlichkeit … – Wandle sie in Wärme …“

Und ich könnte diese Zeilen noch ergänzen:
Meine Strenge und Härte – wandle sie in Barmherzigkeit.
Meine Rechthaberei und Ich-Sucht – wandle sie in Güte.
Meine Übellaunigkeit und Stinkstiefeligkeit – wandle sie in Wohlwollen.
Meine Ungeduld und Ruhelosigkeit – wandle sie in Frieden.

Was für ein schöner Gedanke, dass bei Gott nicht nur das Wertvolle und Gelungene zählt, sondern dass er schließlich auch den Mist und das Zum-Himmel-Stinkende aus unserem Leben liebevoll in seine Hände nimmt und zum Guten führt!

Auch das heißt für mich Auferstehung: dass ich am Ende meines Lebens mit Gott zusammen auf all meine Kanten und Fehler schauen darf und unter seinem liebevollen Blick die Brüche in meinem Leben Stück für Stück heil werden.

Der November, der uns an Sterben und Vergehen erinnert, trägt dann auch eine wunderbare Verheißung von neuer Kraft und neuer Fülle in sich. Und wenn es einmal wieder allzu schwer wird, dieser Verheißung zu trauen, dann hilft es vielleicht, in den Garten zum Komposthaufen zu gehen und zu sehen, wie aus Mist Humus wird.

Bleiben Sie behütet!

Gisela Fritsche
Dekanatsreferentin

„Indian Summer“: So nennen die Einwohner der Ostküste der USA den Herbst. Wenn sich die Blätter verfärben und die Sonne auf die bunten Farben leuchtet, scheint es so, als ob die Natur vor dem kalten und nebeligen November noch einmal ihre ganze Schönheit und Farbenfreude zum Vorschein bringen will. So schön jede Jahreszeit ist, wohnt doch dem Herbst mit seiner Pracht und Farbenvielfalt ein ganz besonderer Zauber inne.

Karl August Förster (1784-1841) schreibt dazu so treffend:

Was vergangen, kehrt nicht wieder;
Aber ging es leuchtend nieder,
leuchtet’s lange noch zurück.

„Alles hat seine Zeit. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit.“ Diese Worte aus der Bibel, dem Buch Kohelet, erinnern uns daran, dass es nicht nur in der Natur den Lauf der Jahreszeiten gibt, sondern auch in unserm Leben: die Kindheit, Jugend, das Erwachsenwerden, das Reifen und Altern. Der Herbst kann uns deutlich machen, dass es auch im Leben so etwas wie einen „Herbst“ gibt. Und es könnte ein goldener Herbst werden, wenn wir uns bewusst darauf einstellen und das Leben, so wie es ist, bejahen und annehmen.

Seit Jahren nehme ich meinen Jahresurlaub im Oktober. Und dieses Jahr fahren wir erst in der zweiten Oktoberhälfte an die dänische Nordseeküste. Viele, denen ich davon erzähle, fragen mich verwundert, ob der Urlaub denn dann noch ein Vergnügen sein kann: am Abend wird es schon sehr früh dunkel, das Wetter ist eher trübe, manchmal sogar regnerisch und stürmisch und in den Urlaubsorten ist nicht mehr viel los.

Ich kann dann nur antworten, dass ich mich genau darauf freue: auf die Ruhe, die dann überall einkehrt, auf die Normalität und Bescheidenheit. Genau das ist es, was ich im Urlaub suche und genieße. Und ich glaube, dass sich das bewusste Hingeben in die schönen Seiten des Herbstes eine gute Übung sein kann, auch dem Herbst des Lebens positiv entgegen zu sehen.

Wer hier in den „Kreuz-und-quer-Gedanken“ regelmäßig stöbert, der hat bestimmt schon gemerkt, dass ich ein großer Fan von Reinhard Mey bin. 1992 hat er ein Lied geschrieben unter dem Titel „Ich liebe das Ende der Saison“. Darin heißt es:

Wenn jetzt die Sonne scheint, dann ist das nicht mehr selbstverständlich
und du nimmst jeden Strahl einzeln und dankbar hin.
Nichts ist mehr so wie´s war, und du kannst spür´n: alles ist endlich.
Auch, wenn du´s nicht verstehst, ahnst du doch: es hat seinen Sinn.

Und so hat auch dieser Herbst, der uns in diesen Wochen begegnen wird, seinen Sinn, seine Schönheit und seinen Reiz. Halten wir also die Augen auf und machen uns auf die Suche, was der Herbst für uns an reichen Erfahrungen bereithält.

Und wer sich für diese Entdeckungsreise inspirieren lassen möchte, kann ja mal herein hören in Reinhard Meys Gedanken zum Ende der Saison: https://www.youtube.com/watch?v=KsKEAOaiwgk

 

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Wochenende, – eigentlich ein paar Tage, um die Seele baumeln zu lassen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.

Mein Wochenende sieht diesmal anders aus: Auf dem Küchentisch warten mehrere Eimer voller reifer Birnen, die zu Kompott und Likör verarbeitet werden wollen. Acht riesige Gurken müssen mundgerecht zerschnitten und süß-sauer eingelegt werden. Ein großer Korb reifer Tomaten lacht mich an – sie werden als Tomatensoße in Gläsern landen. Und die ersten drei Rotkohl- sowie zwei Weißkohlköpfe sollen zerkleinert und blanchiert in den Eisschrank wandern. Wieder mal ist alles gleichzeitig reif und muss auf einmal verarbeitet werden.

In diesen Wochen biegen sich die Obstbäume unter der Last der reifen Früchte, die Gärten strotzen von schmackhaftem Gemüse und auch die Wälder und Wiesen bieten mit Pilzen, Beeren und Wildkräutern eine Fülle von Delikatessen. Man könnte meinen, das Schlaraffenland sei unter uns ausgebrochen, – wenn da nicht das Verarbeiten dieser vielen Sorten alle zur selben Zeit auf uns einstürzen würde.

Ich nehme ein Messer zur Hand und mache mich an die Birnen. Und während ich eine Frucht nach der anderen schäle und halbiere, denke ich daran, wie viel Zeit und Mühe in all diesen gewachsenen Lebensmitteln steckt. Wie oft habe ich die Gemüsebeete von Unkraut und Schnecken befreit. Wie viele Male bin ich mit der Gießkanne durch den Garten gezogen. Wie mühsam war es, die Äste des Birnbaums zu stützen. Es brauchte viel Geduld und die Kunst, das Richtige zum rechten Zeitpunkt zu tun, damit all das in Ruhe wachsen und reifen konnte.

In unserem Leben ist es nicht anders. Wie viel muss da in uns wachsen und reifen, um zur vollen Entfaltung zu finden: Haltungen, Einsichten, Fähigkeiten, Erfahrungen …

Und wenn es ausgereift ist, dann darf es auch nicht einfach unbeachtet liegen bleiben, sondern will eingesetzt und ins Spiel gebracht werden.

Gott-sei-Dank reifen unsere Lebenserkenntnisse nicht alle gleichzeitig wie Obst und Gemüse. Müssten wir all das, was in uns wächst und reift auf einmal verarbeiten, dann würde uns das bestimmt ganz schön überfordern. Gut, dass unser ganzes Leben ein stetiges Wachsen und Reifen ist. Von Kindheit an, sammeln wir Erfahrungen und Erkenntnisse und lernen, diese sinnvoll und nutzbringend in unser Leben zu einzubringen; – solange bis wir dann irgendwann zu einer reifen Persönlichkeit geworden sind.

Ich persönlich bin da noch lange nicht am Ziel angekommen.

Sicher, manches Verhalten, manche Ansichten und Überzeugungen haben sich auch bei mir im Laufe der Jahre weiterentwickelt und sind erwachsener und reifer geworden. Aber da ist noch lange nicht alles fertig und rund. Da ist noch viel Spielraum im Umgang mit mir, mit anderen, mit den Herausforderungen des Lebens.

Am Ziel bin ich erst, wenn ich wirklich diejenige bin, die Gott mit mir gemeint und gewollt hat. Wie lange ich noch für diesen vollkommenden Reife-Prozess brauche, das weiß ich nicht. Manches braucht eben Zeit, Mühe und die liebevolle Hand und Geduld eines großen Gärtners bis es zur vollen Süße und zu tiefem Geschmack herangereift ist.

Tja, – und nach all der Mühe erntet man dann auch eine Fülle, die einfach nur glücklich und zufrieden macht – und ein wenig stolz. Zumindest empfinde ich das jetzt, wenn ich nach einem langen Tag in der Küche am späten Abend die vielen gefüllten Dosen, Gläser und Flaschen mit all den verarbeiteten Leckereien sehe.

Und ich freue mich schon jetzt auf den ersten Schluck Birnenlikör, den ich mit meinem Mann im Winter genießen werde.

 

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Im August ist es immer besonders schlimm! Wenn ich dann morgens den ersten Blick in den Spiegel werfe, frage ich mich immer, ob ich dieses müde Wesen kennen sollte, das mich da anblinzelt. Kein Wunder! Denn wenn die Nächte jetzt im Hochsommer besonders warm und angenehm sind, sitze ich gerne bis in die Puppen draußen im Garten und genieße die laue Luft und die Stille. Für diese einzigartigen Nächte nehme ich den morgendlichen Kampf mit der Müdigkeit gerne in Kauf.

Augustnächte sind etwas ganz Besonderes: Sie haben ihren eigenen Duft von frisch geernteten Feldern, das Zirpen der Grillen zischelt durch´s Gras und hin und wieder flattert eine Fledermaus durch die Dunkelheit.

Am allerschönsten ist aber der atemberaubende Sternenhimmel, der sich nur im August in einer derartigen Pracht zeigt und mich immer wieder sprachlos staunen lässt.

Und in diese Zeit fallen auch die Sternschnuppen-Nächte. Immer um den 12. August herum kommt die Erde den Perseiden am nächsten, sodass wir in klaren Nächten an die hundert Sternschnuppen sehen können.

Der kurze Moment, in dem man eine Sternschnuppe sieht, ist etwas ganz Besonderes. Früher dachten die Leute, dass Sternschnuppen entstehen, wenn die Engel die Sterne putzen. Dann fällt der Staub der Sterne herab und rieselt goldene Lichtstreifen auf die Erde. Heute wissen wir, dass Sternschnuppen Reste von verglühenden Kometen sind.

„Komet“ heißt ein Lied, das zurzeit schon seit Wochen auf den ersten Plätzen der Charts zu finden ist. Der alte Udo Lindenberg und der noch junge Apache 207 singen in diesem Lied davon, dass sie in ihrem Leben und darüber hinaus einen bleibenden Eindruck setzen möchten.

Eine Spur im Leben hinterlassen. So wie eine Sternschnuppe eine Leuchtspur in den schwarzen Himmel malt.

Einer hat das schon vor über 2000 Jahren geschafft. Einer, der von sich selbst gesagt hat: „ICH bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,12).

Dieser Jesus von Nazareth hat bis heute tiefe Spuren im Leben von so vielen Menschen hinterlassen. Licht-Spuren, die zwar gott-sei-dank nicht so schnell verglühen wie eine Sternschnuppe, aber die genauso den Himmel mit der Erde in Berührung bringen.

Und noch etwas hat dieser Jesus gesagt: „IHR seid das Licht der Welt.“ Stellt das Licht nicht unter den Scheffel. Lasst es leuchten, hinterlasst einen Eindruck, der anderen Orientierung gibt und an dem sie sich erfreuen können (Mt 5,14-15).

Was möchte ich hinterlassen? In Begegnungen schon jetzt zu Lebzeiten aber auch wenn ich mal nicht mehr bin? Welche Spuren möchte ich in und mit meinem Leben ziehen? Ist es mir egal, was die Menschen einmal von mir in Erinnerung behalten? Oder möchte ich so leben, dass ich etwas Licht ins Leben meiner Mitmenschen bringe, das für eine Weile eine helle Spur hinterlässt?

Es wäre schön, wenn es mir hin und wieder gelingen könnte, für andere eine Sternschnuppe zu sein, die ihnen ein winziges Stück vom Himmel mitten in ihr Leben regnet.

 

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Neulich fand ich folgende kleine Geschichte:

Ein kleiner Junge kam zu seinem Vater und wollte mit ihm spielen. Der aber hatte keine Zeit für den Jungen und auch keine große Lust zum Spielen. Also überlegte er, womit er den Jungen beschäftigen könnte. Da fand er in einer Zeitschrift eine sehr komplizierte und detailreiche Abbildung der Erde. Er riss das Bild aus der Zeitschrift und zerschnitt es in viele kleine Teile. Die gab er dem Jungen mit dem Auftrag, die Schnipsel sorgsam wieder zusammen zu setzen. Der Vater dachte, dass sein Sohn mit diesem schwierigen Puzzle nun eine Zeitlang beschäftigt sei.

Der Junge zog sich in eine Ecke zurück und begann mit dem Puzzle. Nach nur wenigen Minuten kam er zum Vater zurück und zeigte ihm das fertige Ergebnis. Der Vater konnte es kaum glauben und fragte seinen Sohn, wie er das geschafft habe. Das Kind sagte: „Ach, das war ganz einfach. Auf der Rückseite war ein Mensch abgebildet. Den habe ich richtig zusammengesetzt. Und als der Mensch in Ordnung war, war es auch die Welt.“

(Verfasser unbekannt)

Die Urlaubszeit hat begonnen. Viele von uns haben in den letzten Wochen auf diese Auszeit hin gefiebert. Endlich ein paar Wochen Ruhe. Keine Termine, keine Anrufe, keine Emails, keine Hektik. Endlich den Akku wieder auftanken und neue Kraft schöpfen.

Manchmal fällt es uns leicht, in die Entspannung zu kommen. Und manchmal gelingt es nicht so schnell, einfach abzuschalten.

Aber es ist wichtig, sich diese Auszeiten im Urlaub, am Wochenende oder auch mal einfach so zwischendurch zu gönnen.

Im Englischen gibt es den Begriff „holidays“ – holy days: Heilige Tage.

Wie wichtig solche heiligen Tage des Ausruhens sind, sagt uns schon der Schöpfungsbericht. Am siebten Tag ruhte Gott von seinen Werken und heiligte diesen Tag.

Wenn uns etwas heilig ist, dann gehen wir besonders achtsam damit um und pflegen und schützen es. Wie schön wäre es, wenn unsere Ferien für uns zu solch heiligen Tagen werden könnten, die uns und unsere Welt wieder ein wenig in Ordnung bringen.

Die Kurzgeschichte endet mit dem Satz: „Und als der Mensch in Ordnung war, war es auch die Welt.“

Vielleicht geht es in diesen Wochen der Erholung genau darum: Sich selber wieder zusammen zu basteln. Sich wieder zu richten, die innere Ordnung wieder herzustellen und ein bisschen heiler zu werden. Und wenn wir uns selbst wieder zusammenbasteln, werden

wir merken, wie auch die Welt um uns herum wieder Stück für Stück in Ordnung kommt.

Ich wünsche uns allen eine schöne Urlaubszeit und schöne „holy days“.

Bleiben Sie behütet!

Ihre Dekanatsreferentin

Gisela Fritsche

 

„Das Jahr steht auf der Höhe, die große Waage ruht.“, – so singen wir in diesen Tagen rund um die Sommersonnenwende am 21. Juni. Diese Zeile gehört zu einem Kirchenlied, das zum ersten Mal 1978 veröffentlicht wurde. Es stammt aus der Feder des evangelischen Pfarrers Detlev Block. Überschrieben hat er es mit dem Titel: „Ein Lied zum Mittsommer“.

Wenn wir Mittsommer hören, dann denken wir vielleicht an ein ausgelassenes Feiern, so wie es bei unseren skandinavischen Nachbarn der Brauch ist. Um so überraschender ist es, dass dieses Lied mit dem Bild der ruhenden Waage von Still-Stehen und Zur-Ruhe-Kommen erzählt. Es geht um das Innehalten am Höhepunkt des Jahres.

Wer schon mal einen Berg bestiegen hat, der kann nachempfinden, wie es sich anfühlt, wenn man oben auf dem Gipfel steht. Die Anstrengung des Aufstiegs ist geschafft und nun gilt es, sich niederzulassen, den Blick in die Weite schweifen zu lassen und die Stille zu spüren. Bevor es Schritt für Schritt wieder abwärts in Tal geht, erstmal zur Ruhe kommen und einen Moment lang einfach nur da sein.

Aus dem Abstand der Höhe betrachtet, erkennt man die Steine, Wurzeln, Pfützen und Hindernisse nicht mehr, die den Weg so mühsam gemacht haben. Von hier oben sieht man die gesamte lange Strecke, die man geschafft hat. Und das macht stolz und glücklich. Vielleicht entdeckt man aber auch, wo man falsch abgebogen und einen Umweg gegangen ist oder welche schönen Überraschungen am Wegesrand unter der Mühe des Aufstiegs gar nicht wahrgenommen wurden.

Der Blick vom Gipfel schafft aber auch Sicht auf den bevorstehenden Abstieg: Gibt es noch andere Routen, die sich für den Rückweg anbieten, – vielleicht angenehmer, spannender oder weniger gefährlich? An welchen Stellen könnte es sich lohnen, etwas zu verweilen? Wo lockt mich meine Neugierde hin?

Eine solche Gipfel-Sicht schafft Orientierung und Klärung. Kopf und Seele werden freigepustet und ein innerer Friede stellt sich ein. Die Waagschalen zwischen Aufstieg und Abstieg haben ihre Balance gefunden und sind zu Ruhe gekommen.

Wenn das Jahr in den letzten Juni-Tagen seinen Höhepunkt erreicht hat, könnten wir dies zum Anlass nehmen, auch einmal innezuhalten und mit einem wertschätzenden Blick zurückzuschauen auf die erste Jahreshälfte: Was ist gelungen? Was erfüllt mich mit Freude und Glück? Und was ist noch offengeblieben und möchte zu Ende gebracht werden?

Und gleichzeitig dürfen wir den Blick nach vorne richten: Was möchte ich in der zweiten Jahreshälfte noch anpacken? Wofür und für wen möchte ich mir Zeit nehmen? Und was möchte ich ändern oder los-lassen?

Ich glaube, es lohnt sich, wenn wir uns in diesen Tagen solchen Fragen einmal in Ruhe zuwenden: bei einem Spaziergang, in einer kleinen Auszeit an einem stillen Ort, allein – mit den eigenen Gedanken oder auch im Gespräch mit einem Freund oder dem Partner, vielleicht auch im Zwiegespräch mit Gott.

„Das Jahr steht auf der Höhe, die große Waage ruht. Nun schenk uns deine Nähe und mach die Mitte gut.“

Ich wünsche uns in diesen Tagen die Erfahrung, dass wir in einer guten Mitte zur Ruhe kommen können und uns dabei von Gott begleitet wissen.

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Wer Vater oder Mutter ist, kennt wahrscheinlich die Begegnungen, bei denen jemand beim Anblick der Kinder sagt: „Ganz der Papa!“ – oder: „Da ist aber jemand der Mama wie aus dem Gesicht geschnitten.“ Vielleicht haben Sie auch schon mal gehört, wie das jemand über Sie selbst gesagt hat. Und je nachdem, wie das Verhältnis des Kindes zu seinen Eltern ist, kann eine solche Zuschreibung schmeicheln und Stolz hervorrufen, oder aber auch Empörung und Widerspruch auslösen.

Der Mai ist ein Monat, in dem wir besonders an unsere Eltern denken: Am Muttertag, der in Deutschland als eingetragener Feiertag begangen wird, und am Vatertag – eigentlich Christi Himmelfahrt – , der einen besonderen Fokus auf die Väter legt, auch weil wir an diesem Tag der Heimkehr Jesu zu seinem Vater in den Himmel gedenken.

Egal, wie man zu diesen Gedenktagen stehen mag, – ich will sie hier einmal nutzen, um unsere eigenen Eltern-Kind-Beziehungen in Verbindung zu setzen mit dem Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Gott und Jesus.

Was wissen wir eigentlich über das Verhältnis zwischen Jesus und seinem Vater? – Und gemeint ist hier nicht sein irdischer Vater Josef, sondern sein himmlischer (Gott-)Vater.

Ein erster Hinweis findet sich im Anfang der Evangelien von Markus, Matthäus und Lukas: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ Mit diesem starken und beeindruckenden väterlichen Zuspruch beginnt Jesu Wirken. Und auf dem Berg Tabor wird diese Zusage Gottes noch einmal bekräftigt mit den Worten: „Dies ist mein auserwählter Sohn. Auf ihn sollt ihr hören.“

„Abba“, – so nannte Jesus wohl seinen Vater in seiner aramäischen Muttersprache. „Abba“ heißt soviel wie „lieber Vater“ – wir würden es heute vielleicht mit „Papa“ übersetzen. Und wie liebevoll dieser Vater in den Augen Jesu ist, schildert er sehr berührend im Gleichnis vom barmherzigen Vater, der seinen abtrünnigen Sohn ohne Vorwürfe und Schelte bedingungslos in seine Arme schließt (Lk 15,11-32).

Alle Kinder dieser Welt, die mit ihren Eltern solche „Abba-Erfahrungen“ machen konnten, dürfen sich glücklich schätzen. Aber nicht immer gelingt eine solch warmherzige Eltern-Kind-Beziehung. Es gibt auch viele tragische Eltern-Kind-Geschichten. Wo Kinder sich vernachlässigt, allein gelassen und verletzt fühlen. Und auch wo sich Eltern von ihren Kindern verletzt fühlen.

Auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass wir es – egal ob aus der Rolle als Kind oder als Mutter und Vater – eigentlich nur gut mit uns meinen, misslingt manche Beziehung. Wir schaffen das nicht immer mit dem gegenseitigen Lieben und Anerkennen. Eltern sind auch nur Menschen, sie bekommen keine Gebrauchsanweisung dafür, wie das geht: Vater sein. Mutter sein. Vor allen Dingen fällt es dann schwer, wenn man das selber im Elternhaus vermisst hat…

In menschlichen Beziehungen bleibt immer etwas offen und ungelebt. Und wenn ein Elternteil stirbt, dann bleibt am Ende doch immer noch etwas Ungesagtes oder Ungetanes übrig: eine Frage, die ich nicht mehr stellen konnte. Ein Verzeihen, das nicht mehr möglich war. Die Erfüllung eines Wunsches, dem nun niemals mehr Genüge geleistet werden kann … Am Ende bleibt die Sehnsucht, dass diese Eltern-Kind-Geschichte doch heil und gut werden soll.

Ich glaube, dass auch Jesus in seiner irdischen Zeit eine solche Sehnsucht in sich getragen hat. Immer wieder lesen wir in den Evangelien, wie Jesus im Gebet die Verbindung zu seinem Vater sucht. Wie er sich nach dem Eins-Sein mit ihm sehnt. Und ich glaube, dass sich diese Sehnsucht mit seiner Himmelfahrt erfüllt: Er kehrt heim zu seinem Vater.

Und deshalb macht mir dieses Fest Hoffnung, wenn ich an die ungelösten und offenen Sehnsüchte denke, die in so vielen Eltern-Kind-Beziehungen unerfüllt bleiben.

Für mich heißt das: Was mich umtreibt, was mich beschäftigt in meinem Leben, womit ich nicht fertig bin, womit ich mich auch nicht abfinden will – das kann Erfüllung finden. Und wird in Gott Erfüllung finden. Alle offenen Fragen und Lebensthemen. Und viele meiner offenen Fragen und Lebensthemen hängen eben mit meinen Eltern zusammen, mit meiner Mutter und meinem Vater.

Aber Gott-sei-Dank gibt es auch unzählige Situationen in meinem Leben, in denen ich mit meinen Eltern sehr erfüllte Momente erleben durfte. In denen ich erfahren durfte, was es heißt, wenn jemand zu mir sagt: Du bist mein geliebtes Kind. An dir habe ich Wohlgefallen gefunden.

Ganz eindrucksvoll hat der Liedermacher Reinhard Mey eine solch geglückte „Abba-Erfahrung“ in seinem Lied „Zeugnistag“ geschildert.

Vielleicht mögen Sie es sich ja mal anhören:

https://www.youtube.com/watch?v=fK3vSkYzpTY

 

Ich wünsche Ihnen allen einen segensreichen Mutter- und Vatertag.

Und bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Ostern steht vor der Tür.

Die Wochen der Fastenzeit münden nun in die Karwoche und dann in das Osterfest.

In den Gottesdiensten dieser heiligen Woche, die ja eigentlich ein einziger großer Gottesdienst sind, feiern wir all das, was menschliches Leben ausmachen kann:

Am Palmsonntag feiern wir mit dem Hosanna-Ruf unsere Begeisterung und Leidenschaft, zu der wir fähig sind, wenn uns etwas oder jemand in Brand setzt. Am Gründonnerstag setzen wir mit der Mahlgemeinschaft ein Zeichen für all die Gemeinschaften, die uns im Leben tragen, bei denen wir das Gefühl von Verbundensein und Dazugehören empfinden. Am Karfreitag dürfen im Leiden und Sterben Jesu auch unsere eigenen Schmerzen, unsere Abschiede und Abbrüche Raum bekommen. Der Karsamstag ist der stille Tag, an dem wir unseren Hoffnungslosigkeiten, unserer Leere und Hilflosigkeit nachspüren. Und schließlich der Ostersonntag, der für die Momente grenzenloser Freude und unendlichen Glücks steht. Ja, in diesen wenigen Tagen dürfen wir Gott die Höhen und Tiefen unserer ganzen Lebenserfahrung hinhalten.

Als Kind haben mich diese liturgischen Höhepunkte der Karwoche immer stark beeindruckt. Die kraftvollen Rituale und starken Gesten der katholischen Liturgie haben mich in diesen Tagen emotional mitgenommen wie bei einem gut inszenierten Film. Ich konnte den Stimmungen, die die heilige Woche in sich vereint, nachgehen und sie spürbar miterleben.

Ich habe am Karfreitag in den traurigen Liedern, die ohne Orgel gesungen wurden, eine eigene Traurigkeit wahrgenommen. Der Karsamstag hatte immer etwas Rätselhaftes, eine eigentümliche Leere in sich. Und spätestens wenn am Ostersonntag zum Gloria wieder das laute Orgelbrausen ertönte und die Lichter erstrahlten, wurde mir ganz feierlich und glücklich zumute.

Heute ist das nicht mehr so.

Heute merke ich, dass ich zwar am Gründonnerstag und Karfreitag über den Grund dieser Tage nachdenken und meditieren kann, aber sie berühren mich emotional schon lange nicht mehr so wie früher. Und manchmal schäme ich mich ein wenig, wenn mir am Osterfest die Osterfreude nicht aus jedem Knopfloch blitzt. – Woran liegt das?

Vielleicht, weil ich im Laufe meines Lebens gelernt habe, dass sich Trauer und Freude nicht auf Knopfdruck einstellen lassen.

Karfreitagserfahrungen und österliche Freude lassen sich nicht über den Kalender planen, sondern treffen uns meistens unerwartet und unvorbereitet. Dann, wenn wir am wenigsten damit rechnen. Weil Gott eben ein Gott ist, der sich nicht berechnen lässt.

Ich schaue in die Bibel, ins Matthäus-Evangelium, das uns in diesem Jahr die Osterbotschaft verkündet. Welche Gefühle erleben die beiden Frauen – Maria aus Magdala und die andere Maria, als sie da frühmorgens am leeren Grab den Engel sehen, der ihnen sagt, dass Jesus auferstanden ist? „Sogleich verließen sie das Grab voll Furcht und großer Freude …“ , – so heißt es da im 28. Kapitel.

Furcht und Freude – was für eine eigenartige Mischung. Und doch kann ich dieses Stimmungschaos gut nachvollziehen. Ostern steht eben nicht immer gleich die pure ungetrübte Freude parat. Auch an Ostern rücken uns Sorgen, Fragen, Trauer und Schmerz manchmal ganz schön nah auf die Pelle.

Und doch: Ich brauche diese Tage, diese heilige Woche unbedingt.

Ich bin froh, sie Jahr für Jahr in ihren unterschiedlichsten Facetten durchwandern zu können.

Weil sie mir zeigt: Alles hat bei Gott seinen Platz: die Niedergeschlagenheit, die Wut, die Scham, die Traurigkeit, aber auch der Trost, die Zuversicht, die Hoffnung und das Glück.

Und am Ende – so hoffe ich ganz tief in mir – wird die österliche Freude siegen, – auch wenn es vielleicht nicht pünktlich am 09. April 2023 sein wird.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gesegnete Kar- und Ostertage, – egal wie Sie dann gestimmt sind.

 

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Es ist Mitte Februar. Ich sitze an meinem Schreibtisch und schreibe den Kreuz-und-Quer-gedacht-Artikel für März. Sonnenstrahlen blinzeln durch mein Fenster. Es ist endlich ein heller Tag nach wochenlangem schmuddeligen Grau-in-Grau.

Am Mittag habe ich Kraniche gesehen und gehört, wie sie am Himmel dem Frühling entgegen geschrien haben. Und die Luft hat anderes gerochen als in den letzten Wintertagen. Mir fallen die alten und vertrauten Verse von Eduard Möricke ein:

 

Frühling lässt sein blaues Band

wieder wehen durch die Lüfte.

Süße, wohlbekannte Düfte

Streifen ahnungsvoll das Land.

Veilchen träumen schon,

wollen balde kommen.

Horch, von fern ein leiser Harfenton.

Frühling, ja, du bist´s!. Dich hab ich vernommen!

 

Frühling – eine verheißungsvolle Jahreszeit.

Die Tage werden länger, die Vögel zwitschern schon ganz in der Frühe ihre Melodien in die verschlafene Welt hinein, Knospen und Blüten sprießen in Beeten und an Wiesenrändern und die Landwirte bringen ihre Tiere wieder auf die Weiden.

Eine Zeit voller Neuaufbrüche und Hoffnungen!

Am Tag des Frühlingsanfangs begehen wir die Tag- und Nachtgleiche. Zweimal im Jahr – am 20. März und am 22. September sind Tag und Nacht gleich lang.

Ab dem Datum der Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr werden die Tage länger sein als die Nächte. Eine Wende-Zeit also.

Vielleicht spüren wir solche Wendungen nicht nur in der Natur, sondern auch in unserem Leben: manche sind entscheidend und mächtig, andere klein und unscheinbar, aber dennoch wichtig.

Und vielleicht spüren wir in diesen Wochen noch eine ganz besondere Wendung:

Die Zu-Wendung Gottes zu uns. Gottes Zuwendungen sind im Frühling besonders reichhaltig zu spüren. Durch die Frühlingswärme, das Frühlingslicht, die Frühlingstöne und das Erwachen der frühlingshaften Natur gehen wir neuem Vertrauen, neuem Leben und neuer Zuversicht entgegen.

Vielleicht spüren wir etwas von der Zuwendung unseres guten Gottes, wenn er uns durch die Karfreitage unseres Lebens hindurch einem neuen Ostermorgen entgegenführt; wenn er die schweren Steine von unseren Herzen wegrollt, damit das Frühlingslicht sich in uns ausbreiten kann.

Ja, – so kann unsereiner gut reden und philosophieren.

Aber wie ist es mit den Menschen in den Kriegsregionen, in den Katastrophengebieten, in den Armuts- und Elendsvierteln? Können sie auch die Zuwendung Gottes spüren? Erleben sie nicht vielmehr seine Abwendung? Müssten sie nicht wie Jesus am Kreuz rufen: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Erleben sie nicht einen endlosen Karfreitag, – aussichtslos und hoffnungslos?

Wie können wir da so leichtfertig von Frühlingsfreude reden und unser Osterhalleluja anstimmen? Wie können wir glauben, dass am Ende alles gut wird angesichts der täglichen Nachrichten von unsäglichem Leid in dieser Welt?

Mir hilft es, mit anderen Menschen darüber zu reden. Z.B. wenn mir eine Freundin erzählt, wie für sie nach einer Krebsdiagnose die Welt zusammenbrach. Das ist nun 18 Jahre her. Und heute sitzt sie mit mir auf der Bank in der warmen Frühlingssonne und sagt: „Wie schön doch das Leben ist!“

Mir helfen die uralten Psalmen, deren Worte zeigen, dass auch Klage und Trauer ins Recht gesetzt werden dürfen und dass es daneben trotzdem auch Freude und Trost geben darf.

Mir hilft es zu wissen, dass auch Jesus Angst und Gottverlassenheit spüren musste, aber dass er am Ende das alles doch in die Hände seines Vaters legen konnte.

Mir hilft die Zusage des Auferstandenen, die er seinen Jüngern und uns versprochen hat:

Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Auch wenn wir es in manchen Situationen unseres Lebens nicht glauben können, – am Ende haben nicht Leid und Tod das letzte Wort, sondern Gott. Und er ist und bleibt ein Gott des Lebens und der Liebe.

So wie es der amerikanische Staatsmann, Buchdrucker und Erfinder des Blitzableiters, Benjamin Franklin, in seiner Grabinschrift bekannt hat, – ein tiefsinniges heiteres Bild für die Hoffnung auf die Auferstehung:

 

Hier ruht:

Speise für die Würmer

der Körper von

Benjamin Franklin

Buchdrucker

gleich dem Deckel eines alten Buches

aus welchem die Blätter gerissen

dessen Einband abgebraucht ist.

Aber das Werk wird nicht verloren sein

denn es wird wieder erscheinen, so hofft er

in einer neuen Auflage

durchgesehen und verbessert

vom

Verfasser.

 

Fröhliche Ostern und bleiben Sie behütet!

Gisela Fritsche

Es gibt wohl kaum einen Monat, der so gegensätzlich ist wie der Februar.

Die ersten Wochen sind geprägt vom Karneval: ausgelassenes Feiern, bunte Kostüme, Straßenumzüge, Schunkeln und Tanzen, Kamelle und Konfetti …

Und dann kommt mit dem Aschermittwoch die schlagartige Kehrtwende und damit sieben Wochen Verzicht, Stille, Schlichtheit und Einkehr.

Der radikale Umbruch vom Karnevalsdienstag auf den Aschermittwoch macht es eindrücklich deutlich: Alles hat seine Zeit. – So steht es schon im Buch Kohelet. Es gibt eine Zeit für Spaß und Vergnügen und es gibt eine Zeit für die Nachdenklichkeit, für Rückzug und Besinnung.

Obwohl Beides auf den ersten Blick nicht zueinander zu passen scheint, gehört es doch zusammen wie die zwei Seiten einer Medaille. Und vielleicht haben Karneval und Fastenzeit auf ihre je eigene Weise das gleiche Anliegen: nämlich den Alltag zu durchbrechen, die Dinge auf den Kopf zu stellen und zu zeigen: Es geht auch anders.

Wenn in den Karnevalstagen die Narren vielerorts die Rathausschlüssel übernehmen, dann wollen sie damit ausdrücken, dass auch die Kleinen mal das Sagen haben dürfen, dass sie die Weltordnung umkehren. Natürlich ist das nur ein oberflächlicher Umbruch für ein paar Tage, bevor wieder alles zur guten alten Ordnung zurückkehren wird.

Aber trotzdem öffnet uns diese Zeit, in der die Welt auf dem Kopf steht, ein kleines Fenster und hält uns den Spiegel vor, dass es auch anders gehen könnte und wir uns nicht mit den gewohnten Bedingungen zufriedengeben müssen. Und diese Einsicht hat auch etwas mit unserem Glauben zu tun. Denn es geht um nichts anderes als um eine neue Weltordnung, wenn Maria im Magnifikat sagt: Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.

So gesehen haben die Faschingstage etwas mit der Fastenzeit gemeinsam: nämlich die Sehnsucht, dass es anders werden könnte.

Auch die Fastenzeit hält uns einen Spiegel vor und lädt uns ein, dass etwas anders werden kann in unserem Leben. Alte Gewohnheiten, die uns und anderen nicht guttun, können überdacht und verändert werden. Festgefahrene Wege, die uns immer die gleichen Schleifen drehen lassen und in immer dieselben Sackgassen führen, können verlassen werden, um neue Pfade zu erkunden und auszuprobieren.

Und vielleicht werden wir ja im Anders-Werden viel eher wir selbst.

Also, – nutzen wir die Zeiten der närrischen Tage und der stillen Wochen, um in den Spiegel zu schauen, was wir gerne mal anders machen würden.

Und vielleicht sehen wir ja dann, dass Einer mit uns in diesen Spiegel schaut. Und dass er uns samt all unserer Macken und Kanten unendlich liebevoll und gütig anschaut.

Vielleicht hören wir ihn sagen: So, – wie du bist ist es gut. Du bist mein geliebtes Kind.

Ich wünsche uns allen eine fröhliche Karnevalszeit und eine reiche und gesegnete Fastenzeit.

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Der Jahreswechsel ist schon ein merkwürdiger Moment: Einerseits läuft das Leben einfach weiter. Es ist ja nicht so, dass am 01.01. um 0:00 Uhr die Welt anhält und alles auf „reset“ gestellt wird. Andererseits liegt in diesen ersten Minuten des neuen Jahres doch ein eigenartiger Hauch von Neubeginn in der Luft und in unseren Herzen. Die guten Vorsätze, die in diesen Tagen beschlossen werden zeigen deutlich, wie sehr wir uns danach sehnen, dass wir hier und da noch mal von vorn beginnen können und eine neue Chance bekommen.

Neuanfänge haben mich schon immer fasziniert: die ersten Seiten, mit denen mich ein gutes Buch erwartet; ein stiller Sonnenaufgang, der einen neuen Tag verheißt; der erste unbeholfene Satz nach langem Schweigen …

Wer schon mal ein neugeborenes Baby in seinen Armen gehalten hat, weiß, wieviel Macht ein solcher Neuanfang über uns ausüben kann: Darin liegt unendlich viel Hoffnung, Unverbrauchtheit, Mut und die übergroße Sehnsucht, dass alles so gut bleibt, wie es genau in diesem Moment ist. Aber viel zu oft erfüllt sich diese Hoffnung nicht. Der Glanz des Neuen nutzt sich schnell ab und die Reinheit und Vollkommenheit des Beginns weichen den Gebrauchsspuren des Alltags. Die Realität hat uns wieder geerdet, auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Vielleicht werden auch deshalb schon wenige Tage nach dem Jahreswechsel die guten Vorsätze wieder Bord geworfen.

Der Liedermacher Reinhard Mey hat das einmal sehr treffend beschrieben. In einem seiner Lieder singt er:

Kinder werden als Riesen geboren.
Doch mit jedem Tag, der dann erwacht,
geht ein Stück von ihrer Kraft verloren,
tun wir etwas, das sie kleiner macht.
Kinder versetzen solange Berge,
bis der Teufelskreis beginnt,
bis sie, wie wir erwachsene Zwerge,
endlich so klein wie wir Großen sind.

Kann es sein, dass wir mit den hoffnungsvollen Anfängen unseres Lebens manchmal genauso umgehen? Dass wir sie klein machen durch unsere Angst und die Niederlagen der Vergangenheit? Dass wir viel zu wenig Vertrauen in unsere neuen Möglichkeiten und die geschenkten Chancen investieren? Dass wir lieber zum grauen Einerlei zurückkehren, als den Glanz des Neubeginns zu beschützen und zu bewahren?

Ja, es ist schon so und vielleicht muss es so sein, dass irgendwann der Zauber des Anfangs verblasst und die Gewöhnung das Zepter übernimmt.

Und doch!, – ein Blick in die Bibel zeigt mir: Bei Gott ist immer ein neuer Anfang möglich. Nach der Sintflut schließt Gott mit Noah einen neuen Bund; Zachäus konnte sein Leben nach der Begegnung mit Jesus noch einmal neu beginnen; Petrus bekommt durch die dreifache Frage „Liebst du mich?“ die Chance, sein dreifaches Verleugnen wieder gut zu machen …

„Im Anfang war das Wort … und das Wort war Gott …“ – so heißt es im Johannes-Prolog (Joh 1,1). Gott ist ein Gott der Anfänge. Mit seinem Sohn Jesus Christus, der als Neugeborener in die Welt gekommen ist, hat er uns gezeigt, dass mit ihm jederzeit Neuanfänge möglich sind, wenn wir uns die Hoffnung und den Glauben daran bewahren.

Peter Kuzmic, ein evangelischer Theologe aus Slowenien sagt dazu: Hoffnung ist die Fähigkeit, die Musik der Zukunft zu hören.Glaube ist der Mut, in der Gegenwart danach zu tanzen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein hoffnungsvolles und glaubensstarkes Jahr 2023!

Ihr Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin

Vor einiger Zeit unterhielt ich mich mit meinem Kollegen darüber, wie die „Jugend von heute“ tickt. Mein Gesprächspartner sagte mir, er habe dazu eine aktuelle Reportage gesehen. Darin hieß es: Während Menschen in unserem Alter (- ich bin jetzt 56 Jahre alt -) die Generation der Freiheit ist, (- man denke an die 60er/70er Jahre, an die Einführung der Antibaby-Pille, an den Mauerfall zwischen Ost- und Westdeutschland … -) , sind unsere Kinder die Generation der Solidarität.

Und ja: Solidarität ist heute wichtiger denn je. Denken wir nur an die letzten zwei Jahre. Das Corona-Virus forderte unsere Solidarität mit den vulnerablen Gruppen, – auch ihretwegen haben wir Kontakte vermieden, die Maskenpflicht eingehalten und auf viele kulturelle und private Anlässe verzichtet.

Der Krieg in der Ukraine fordert die Solidarität der NATO-Staaten mit Waffenlieferungen sowie finanzieller und humanitärer Hilfe.

Deutsche Stars wie z.B. Meret Becker demonstrieren ihre Solidarität mit den im Iran protestierenden Frauen, indem sie ihre Haare abschneiden.

Und letztlich fragt die Energiekrise unser aller Solidarität an, indem wir vor der Entscheidung stehen, wie warm (oder wie kalt) in diesem Winter unsere öffentlichen Versammlungsräume, unsere Arbeits- und auch privaten Wohnzimmer sein sollten.

Aber auch wenn wir uns im Solidarisch-Sein fast täglich üben, ist das so eine Sache mit der Solidarität: Erfahrungsgemäß hat sie nämlich keine lange Halbwertzeit!

So wurden schon bald nach Ausbruch der Pandemie die Vorsichtsmaßnahmen von immer mehr Menschen infrage gestellt. Die täglichen Berichte aus den Kriegsgebieten der Ukraine (und anderswo) verschwinden fast unbemerkt in der Flut von anderen Katastrophen. Und während sich im Iran Frauen unter Lebensgefahr gegen die Diktatur und Unterdrückung ihres Landes wehren, knickt unsere Nationalmannschaft und der DFB vor dem Säbelrasseln der FIFA ein und will keine sportlichen Nachteile riskieren.

Der Begriff „Solidarität“ kommt aus dem Lateinischen von „solidus“. Das heißt soviel wie „echt“, „fest“; – eben das Gegenteil von sprunghaft und „Heute-Hü-Morgen-Hott“. Solidarität hat auch etwas mit Verlässlichkeit und Treue zu tun.

In wenigen Tagen feiern wir Weihnachten: Gott kommt auf unsere Erde und wird Mensch. Das ist die größte Solidaritätsbekundung zu uns Menschen, die er jemals zeigen konnte. Und er geht noch weiter: er kommt in die Welt als kleines, schwaches Baby, – in einem kalten und dunklen Stall. Er wird hineingeboren in die „heilige“ Familie, die alles andere als heilig ist. Seine Eltern nicht verheiratet, der Vater ist noch nicht mal der leibliche Vater. Die Botschaft von seiner Geburt trifft als erstes auf die Hirten, – diese ruppigen Gestalten, die irgendwo da draußen leben. Er ist schon in seinen ersten Lebenstagen auf der Flucht vor seinen Neidern und Häschern.

Gott übt Solidarität …

  • … mit den Kleinsten und Schwächsten.
  • … mit denen, die im Kalten sitzen und die selbst an Weihnachten keine Chance haben, ihre   Heizkörper hoch zu regeln, damit es doch recht gemütlich wird.
  • … mit denen, die in queeren oder Patch-Work-Beziehungen leben und darunter zu leiden haben.
  • … mit denen, die draußen sind, die an den Rand gedrückt und übersehen werden.
  • … mit denen, die flüchten müssen vor Hass, Terror und Krieg.

Und Gottes Solidarität hat keine Halbwertzeit. „HEUTE ist euch der Retter geboren …“ – so heißt es im Weihnachtsevangelium nach Lukas. Da steht nicht: damals vor 2000 Jahren. Nein: HEUTE.

Seine Solidarität ist beständig. Sie gilt auch jetzt, – in diesen Weihnachtstagen und darüber hinaus. Auch an diesem Tag, in dieser Stunde, in genau diesem Augenblick!

Kein sprunghaftes Hü-und-Hott.

Und deshalb ist Weihnachten auch kein sentimentales Fest der Erinnerung an eine lang zurück liegende Zeit, sondern Weihnachten ist Gegenwart! Es ist das Fest der Solidarität Gottes mit uns Menschen im Hier und Jetzt. Es ist die Zusage seiner Solidarität auch zu mir, zu meiner Schwäche, zu meinen Brüchen und zu meiner Begrenztheit.

Wie wäre es, wenn wir uns von seiner Solidarität anstecken und entflammen lassen? Es müssen nicht immer die ganz großen Taten sein.

Ein Weihnachtsessen aus fair-gehandelten oder regionalen Produkten.

Ein oder zwei Geschenke weniger als sonst und stattdessen eine Spende an die örtliche Tafel.

Die Heizung zwei bis drei Grad runter regeln (es gibt ja Decken und dicke Socken) oder auf die sonst üblichen Lichterketten im Garten verzichten, damit die damit eingesparten Energieressourcen für diejenigen zur Verfügung stehen, die sie nötiger brauchen.

Ihnen wird sicher das passende einfallen!

Nur Weihnachten ohne Solidarität, das wäre eine Lüge.

 

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekantsreferentin

Liebe Besucherinnen und Besucher unserer Homepage,

der November ist für viele Menschen ein trauriger Monat. Die trüben, nebelverhangenen Tage, die frühe Dunkelheit, die grauen Farben in der Natur legen sich auch auf unsere Stimmung. Und es gibt keine Zeit sonst im Jahr, in der wir so nah in das Thema Sterben und Tod heranrücken wie im November.

Und dennoch mag ich diesen Monat. Ich erinnere mich gerne an die Zeit meiner Kindertage zurück, wenn wir mit der Familie am Allerheiligen- und Allerseelentag über den Friedhof gingen und die Gräber unserer Angehörigen besuchten. Wir haben diesen Friedhofsgang immer in die Stunden der Dämmerung gelegt und so wirkten die Grablichter, die an diesen Tagen unzählig auf den Gräbern leuchteten besonders schön. Meine Schwester und ich haben immer nach dem schönsten Grab Ausschau gehalten und es war uns ganz feierlich zumute, wenn wir bei der Oma und dem Großonkel am Grab das Streichholz anreißen und damit die rote Becherkerze entzünden durften. Die ganze Atmosphäre hatte etwas Rührendes und Heimeliges.

Der November war für uns auch immer der Monat, in dem wir als Familie näher zusammenrückten: lange Spieleabende, die ersten Weihnachtsgeschenke wurden gebastelt und die frisch gepflückten Äpfel vom Baum im Garten brutzelten im Ofen zu herrlich duftenden Bratäpfeln, gefüllt mit Marmelade und Rosinen.

So hat der November für mich bis heute etwas von Zur-Ruhe-Kommen, Heim-Kommen, Bei-Sich-Ankommen. Lautes wird Leise, die hellen und grellen Farben des Sommers werden sanfter und weicher und das aktive pulsierende Leben darf sich beruhigen. Aus Machen wird Träumen, aus Blühen und Sprühen wird stilles Werden und Warten, aus Festhalten wird Loslassen.
Deshalb ist dieser Monat für mich eine heilsame Zeit. Deshalb mag ich den November.

Sehr beeindruckend beschreibt Giannina Wedde dies in ihrem Gedicht „November“:

November,
du heilsame Zeit der Nachsicht.
Du Zeit, in der die Farben sterben dürfen,
nach dem letzten rauschenden Fest
aus Röte und Gold.
Du hast schon gewartet
hinter randvollen Körben,
zwischen Quitten, Birnen und Pilzen
und dem beglückenden Duft
fruchttragender Arbeit.
Du hast schon leise gerufen
nach den müden Händen,
die ausruhen wollen,
nach den schwer gewordenen Lidern
und den mit Erfahrung gesättigten Herzen.
Du hast deine Arme
um das alternde Jahr gelegt
und um alle Dinge,
für die es nun zu spät geworden ist.
In dir verläuft die Schwelle
zwischen Herbst und Winter,
auf die du uns setzt,
wie Vögel auf Zweige,
die bereit sind, ein Lied zu vergessen
und sich ein neues schenken zu lassen.

In diesem Sinne: Geben Sie dem November eine Chance!

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gisela Fritsche

Dekanatsreferentin